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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin
Autoren: Astrid Fritz
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Vorspann
    März 1825, Landstraße in Oberschwaben
    Der Mann hinter dem Haselbusch leckte sich die Lippen: Was hatte er da nur für zwei appetitliche junge Weibspersonen vor Augen. Nackt bis auf ein loses Hemd standen die beiden da, nur einen Steinwurf von ihm entfernt am Flussufer, und wuschen sich und zwei kleinen Buben Gesicht und Hände. Deutlich zeichneten sich die runden Brüste unter dem Leinen ab, die Haut ihrer bloßen Arme und Beine schimmerte hell im Licht der Märzsonne. Die Versuchung war groß, allzu groß, wäre da neben ihm nicht der junge Kerl gestanden, dieser Lorenz, der ihm erst vor kurzem aus der Residenzstadt Stuttgart geschickt worden war und dem er noch keinen Deut vertraute.
    Ein andermal, dachte er und gab sich einen Ruck. Er musste dem Burschen Vorbild sein, schließlich war er, Anton Sipple, als langjähriger Oberlandjäger in königlichen Diensten erst neulich zum Stationskommandanten des Oberamts Ravensburg befördert worden und wusste, was er seinem Rang schuldig war. Und eben jetzt bestand seine Pflicht darin zu prüfen, ob es sich hier nicht ganz augenscheinlich um eine Vagantensippe handelte, um liederliche Weiber, die arbeitsscheu und ohne Moral durch die Lande stromerten und keinesfalls der sittlichen und geistigen Erziehung ihrer Blagen fähig waren. Erst vorgestern hatte er hier, an der alten Staatsstraße von Stuttgart an den Bodensee, eine Horde Bettler festgenommen. Deren verlauste Kinder hattenbei der Hanfreibe drüben in Staig Hühner stibitzt, um sie auf dem Ravensburger Markt zu verscherbeln.
    Sipples Rechte griff nach dem Knauf seines Säbels. Dann reckte er Kreuz und Schultern, wobei sich seine Uniformjacke über dem mächtigen Bauch bedenklich spannte, und trat aus dem Gebüsch heraus.
    «Halt! Keinen Schritt weiter!»
    Die Frauen fuhren erschrocken herum.
    «Mir habn nix verbrochen», stotterte die Ältere und legte schützend die Arme um die Knaben. Ganz offensichtlich war sie die Mutter der beiden, ihr hageres Gesicht war von Pockennarben gezeichnet. Dafür war die andere ausnehmend hübsch mit ihren langen, dunklen Locken, und Anton Sipple bedauerte erneut, nicht allein auf Patrouille zu sein.
    «Eure Papiere!», donnerte er.
    Die Frauen beeilten sich, ihre Kleider überzustreifen, dann kramten sie in ihren wenigen Habseligkeiten herum, die an einem Baumstamm abgelegt waren.
    «Festnehmen?», flüsterte Sipples Begleiter.
    «Nein, wart noch. Wir müssen die Instruktionen einhalten. Also, was ist?», wandte sich der Kommandant an die Frauen. «Sucht ihr die Stecknadel im Heuhaufen?»
    «Irgendwer muss die Papiere geklaut haben», murmelte die Ältere mit hochrotem Kopf. «Mir sin Mägde, auf der Such nach Arbeit, keine Landstreicher. Das müsset Sie uns glauben.»
    «Ich muss gar nix. Ihr wisst genau, dass es verboten ist, ohne Passierschein oder Heimatschein durch die Gegend zu vagabundieren. Reisegeld könnt ihr wahrscheinlich auch keins vorweisen.»
    Die beiden Frauen blickten stumm zu Boden, während die Buben zu schluchzen begannen.
    «Name und Herkunft! Und weh euch, ihr lügt!»
    «Creszenz Schwende, aus Ulm», begann die Ältere.
    «Und du?» Sipple stieß der anderen in die Rippen.
    «Margarete   – Margarete Weinhard aus der Schweiz.»
    Dem Stationskommandanten entging nicht der erstaunte Blick der Älteren.
    «Du lügst!»
    Er schlug der Jungen mit der flachen Hand ins Gesicht.
    «Maria, Maria Bronner», stammelte die nun unter Tränen. «Aus Eglingen auf der Rauhen Alb.»
    «Maria Bronner also.» Sipple grinste. «Dann wollen wir mal in Erfahrung bringen, ob das der Wahrheit entspricht. Auf geht’s, Lorenz, legen wir den Weibern Handfesseln an. Damit uns die Täubchen nicht wegflattern.»
    Grob packte Sipple die Dunkle bei den Handgelenken und drehte ihr die Arme auf den Rücken. Während er ihr mit geübtem Griff die Fesseln anlegte, presste er sie enger als nötig gegen seinen massigen Leib. Deutlich spürte er ihren Busen an seiner Brust, roch den Duft nach Erde und Wind in ihrem Haar. Sipple unterdrückte ein Stöhnen. Wie lange schon hatte er kein Weib mehr unter sich gehabt!
    «Fertig, Herr Kommandant!», rief neben ihm Lorenz mit heller Stimme, und Alfons Sipple trat einen Schritt zurück.
    «Sie könnet uns doch net einfach festnehmen», rief die, die sich Creszenz nannte. «Daheim warten Mann und Kinder auf uns.»
    «Und ob wir das können. Nichts weiter als diebisches Gesindel seid ihr, das auf dem Bettel durchs Land zieht.»
    In diesem
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