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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin
Autoren: Astrid Fritz
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Maultier.
    «Ab hier müsst ihr zu Fuß gehen. Es ist nicht mehr weit bis Altdorf. Nehmt am besten den Feldweg da vorn.»
    Hufnagl bedankte sich. In diesem Augenblick verdunkelte sich der Himmel, als werde es gleich Nacht, und es begann zu schütten wie aus Eimern.
    «Herrgottsdonnerblitz!», fluchte der Büttel und sah dem Karren nach, der hinter dem Regenvorhang in Richtung Ravensburg verschwand. «Nix als Malör hat man mit euch Landstreichern. Jetzt könnt ich gemütlich daheim im Wirtshaus hocken, und was mach ich stattdessen? Zieh bei diesem Sauwetter mit einem Vagantenbastard durch die halbe Weltg’schicht!»
    Er packte Theres grob beim Arm. «Los, komm schon, beweg deine Haxen.»
    Sie konnte kaum Schritt halten mit dem großen Mann. «Es tut mir leid», murmelte sie.
    «Leid – leid – dummes Gschwätz!» Hufnagl begann sich in Rage zu reden, während ihm das Wasser übers Gesicht lief.«Man hätt dich grad hier im Schussental lassen sollen, damals, als die Landjäger deine Mutter und dich aufgegabelt hatten. Sackerment – wieso bleibst jetzt stehen?»
    «Hier?»
    In Theres’ Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. Zeitlebens hatte sie geglaubt, ihre Mutter habe sie und Hannes in Eglingen einfach alleingelassen. Oder weggegeben wie einen alten löchrigen Schuh.
    «Hier?», wiederholte sie.
    «Was fragst so dumm? Hast net gewusst, dass du von der Straß kommst? Eing’sperrt hat man die Weiber und euch Blagen weggebracht.»
    «Woher – woher wissen Sie das?»
    «Weil mein Schwager Büttel in Ravensburg ist, darum. Und meine Schwester hat dich auf einem Eselskarren auf die Alb bringen müssen, die Arme. Die ganze Reise hast gebrüllt wie am Spieß. Die hätt dich am liebsten im nächsten Weiher versenkt!»
    «Und   … Und meine Mutter?»
    «Was weiß ich? Jetzt halt endlich dei Gosch und komm!»
    Theres blickte nicht nach links noch nach rechts, als sie die restliche Wegstrecke neben dem Büttel herstapfte und schließlich die Häuser der Ortschaft Altdorf erreichte. Sie konnte nicht fassen, was sie da eben erfahren hatte: Ihre Mutter war also gar nicht das herzlose Weib, dem seine Kinder gleichgültig waren. Bestimmt hatte sie bitterlich geweint, als sie eingesperrt werden sollte. Hatte um ihre Freiheit gefleht, darum, ihr kleines Mädchen behalten zu dürfen.
    Ihre nackten Füße tappten über die regennassen Gassen, während der Büttel sich zum Rathaus durchfragte. Dort klopfte er mehrmals ungeduldig gegen das Tor, bis endlich jemand öffnete.
    «Hufnagl mein Name, Büttel aus Münsingen. Sind Sie der Bürgermeister?»
    «Seh ich so aus? Bin nur der Amtsbote. Der Herr Bürgermeister ist zu Tisch, im
Löwen
.» Der Atem des Mannes roch nach Branntwein, und der Unwillen über diese Störung war ihm deutlich anzusehen.» Was wollen Sie also?»
    «Ich soll die Theres Ludwig ins Vagantenkinderinstitut bringen.»
    Der Amtsbote musterte Theres und verzog das Gesicht.
    «Ein Landstreicherkind also. Dacht ich mir’s fast. Haben Sie die nötigen Papiere dabei?»
    «Selbstverständlich. Hier – ihr Heimatschein. Und hier die Anweisung vom Münsinger Kirchenkonvent an das hiesige Oberamt und ans Waisenhaus. Das Mädle soll künftig dem Oberamt Ravensburg zugesprochen sein.»
    «Als ob wir nicht schon genug verwahrloste Kinder hätten», murrte der Amtsbote. «Immer noch mehr werden hier angeschleppt.»
    «Sie kriegen das Mädle zurück, nix weiter. Schließlich haben Ihre Leut es vor acht Jahren hier aufgegabelt, drunten bei Niederbiegen.»
    «Kommt dieser Entscheid aus Stuttgart?»
    Hufnagl nickte. «Liegt schriftlich bei.»
    «Gut. Warten Sie hier in der Diele, ich bin gleich zurück.»
    Die Kälte des Steinbodens drang Theres durch den ganzen Körper. Kurz darauf kehrte der Mann zurück, in langem Regenumhang und Kapuze.
    «Brauchen Sie eine Bleibe zum Übernachten?», fragte er Hufnagl.
    «Nein, ich will noch nach Ravensburg, zu meinem Schwager. Wie weit ist’s bis dahin?»
    «Eine Wegstunde.» Der Amtsbote nahm eine Laterne vomWandhaken. «Hier, für Sie. Es wird bald dunkel. Geben Sie sie morgen beim Oberamt ab.»
    Der Büttel bedankte sich, und sie traten hinaus in die Abenddämmerung. Es hatte zu regnen aufgehört.
    «Nun dann, Theres   …» Hufnagl wirkte mit einem Mal verlegen. Unbeholfen klopfte er Theres auf die Schulter. «Es wird schon werden. Halt dich immer nur schön brav, dann wird’s dir net schlecht ergehn. Behüt dich Gott!»
    Theres krampfte es das Herz zusammen, als sie dem
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