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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers
Autoren: Julia Kröhn
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dreiste Vertrauen von früher, dass die Welt sich schon fügen würde, wenn er sie nur ausreichend geschickt bearbeitete, beschädigt war.
    »Natürlich wird es gehen«, bemerkte sie trocken. »Wenn du nur erst wieder ein Holzwägelchen hast.«
    Er lachte nervös auf, trat unruhig von einem Bein auf das andere. »Auch das sollte zu machen sein«, sprach er leichtfertig, aber es klang eher wie eine Frage, nicht wie eine Feststellung. »Was hältst du von meinen Plänen?«
    Als sie ihm nicht antwortete, wurden seine Bewegungen noch fahriger. Plötzlich hob er die Hand, legte sie auf ihre Wange, streichelte darüber, ein wenig so, als stecke jene Rastlosigkeit, jene Gereiztheit in ihm, die ihn einst dazu getrieben hatte, sie zu küssen.
    Sie zuckte zurück. »Tu das nicht!«
    Bedauernd senkte er seine Hand, wiewohl ihr war, als könnte sie immer noch deren Abdruck fühlen. »Du hast mir also nicht verziehen.«
    »Das ist es nicht«, gab sie zurück. »Aber ... aber ...« Sie rang nach Worten, wusste nicht genau, was sie vor ihm zurückweichen ließ. Sie sehnte sich nach seiner Wärme. Und wollte sich davon doch nicht einlullen lassen.
    »Du hast gesagt ... du hast gesagt, du hättest mich aus dem Kerker befreit, weil unsere Großväter Brüder waren«, sagte er schließlich. »Ist das der einzige Grund? Bin ich für dich einzig ein ... Verwandter?«
    »Bist du es nicht?«
    Er lachte auf, aber wieder blieben seine Augen ernst. »Ich bin ein Heimatloser, Caterina, das war ich immer und werde es bleiben. Und ich bin, was die Menschen von mir wollen. Ein Spieler, ein Medicus, ein Gaukler, ein Apothecarius, ein Händler, ein Betrüger ... Und darum frage ich dich: Was willst du, das ich für dich bin? Nur ein Vetter?«
    Erstmals wich sie seinem Blick aus, wollte nicht, dass er gewahrte, wie lange und hilflos sie nach Antwort rang. Sie fühlte sich wie jene leere Stadt, in der nurmehr Hunde kläfften und
    Räuber streunten, die ihre Bewohner verloren hatte und zugleich Raum bot für neue, wiewohl nicht gewiss war, mit welchen Absichten diese kamen.
    »Gleich, wohin es uns verschlägt«, wich Caterina seiner Frage aus, wandte sich noch weiter von ihm ab, ging ein paar Schritte von ihm fort. »Du wirst dein altes Leben wiederfinden und vielen kecken Mädchen den Kopf verdrehen, so wie du’s früher tatest. Ich werde nicht die Einzige sein, die dich glauben macht, dass du noch lebst und atmest und genügend Kraft hast, den täglichen Kampf zu bestehen. Und das ... und das war doch der einzige Grund, warum du mich als Frau wahrgenommen hast, nicht nur als lästige, frömmelnde Base ...«
    Er folgte ihr, umrundete sie, blieb vor ihr stehen, sodass ihr nichts anderes übrig blieb, als ebenso innezuhalten. Seine Augen glänzten traurig.
    »Wer weiß«, murmelte er. »’Vielleicht gab es noch einen anderen Grund. Also – bin ich nur ein Vetter für dich?«
    Sie verharrten eine Weile unschlüssig. Caterina versuchte zögerlich, an ihm vorbeizugehen, doch er räumte den Platz nicht. Sie stutzte, gewahrte, dass er sich vorneigte. Ihre Leiber streiften sich nicht, ebenso wenig ihre Gesichter. Doch sie standen so nahe beieinander, dass sie seinen Atem spüren konnte, warm und ruckartig. Eine kleine Bewegung, und er würde sie küssen, würde sie begehren, würde ihr Leben einhauchen, würde sie heilen.
    Sie konnte sich nicht entscheiden, ob dies bereits der richtige Zeitpunkt war, und blieb deswegen starr stehen, anstatt ihm entgegenzukommen. Und auch er wagte nicht, den letzten Abstand zu überbrücken, ließ zu, dass sie sich schließlich duckte, an ihm vorbeihuschte. Noch kurz verharrte er gebückt, als könnte sie es sich anders überlegen, zurückkommen, seine Umarmung und seinen Kuss willentlich suchen. Doch sie ging einfach weiter, an die zehn Schritte.
    Dann erst war ihre Stimme wieder fest genug, um ihm über die Schultern zuzuwerfen: »Wer weiß«, wiederholte sie seine vorigen Worte. »Gib mir Zeit. Dann werden wir sehen.«
    »Und dein Schatz ... deine kostbare Reliquie, die du durch diese lange Irrfahrt gerettet hast?«
    Er hielt das Bündel hoch, sie hatte es immer noch nicht an sich genommen.
    »Nun«, sagte sie leichtfertig. »Am Ende hast du es doch gerettet, das Zeugnis vom Leben der Heiligen Julia von Korsika, die Splitter ihres Kreuzes, auf dem sie im Namen Gottes ihren Geist aushauchte ... Also trage du es auch weiterhin. Ich brauche es nicht mehr.«
Rom, 257 n.Chr.
    Später, viel später, als Krëusa verstummt war
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