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Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Titel: Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
Autoren: Sara Poole
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lediglich, damit Ihr versteht, dass ich keineswegs überrascht war, plötzlich Geld in der Hand zu halten, sondern höchstens etwas ratlos, wofür ich es verwenden sollte.
    »Euer Lohn für das erste Vierteljahr«, bemerkte Renaldo. Dann hielt er mir das Schreibbrett entgegen. »Ihr müsst nur noch unterschreiben.«
    Ich unterschrieb und war froh, dass meine Hand nicht zitterte. Natürlich wusste ich, dass mich der Kardinal für meine Dienste entlohnen würde. Ich hatte nur nie überlegt, um welche Summe es dabei ging. Mein Vater hatte bei einer Bank in Rom eine beträchtliche Summe eingezahlt, die mir nach seinem Tod zugefallen war. Mit diesem kleinen Vermögen und meinem Lohn war ich in meinem Alter in einer außergewöhnlichen Lage: Ich war eine unabhängige Frau, die über eigene Mittel verfügte.
    Das alles kommt mir sehr entgegen, dachte ich, nachdem
ich mich von Renaldo verabschiedet hatte. Ich kehrte kurz in meine Räume zurück, wo ich die Münzen in einer meiner Kisten verschloss, bevor ich mich dem Auftrag Seiner Eminenz widmete.
    Was seine eigenen Lebensumstände anging, so war der Kardinal ein verschwiegener Mann. Zum Beispiel quartierte er weder seine jetzige Geliebte noch die Kinder seiner früheren Favoritinnen in seiner offiziellen Residenz am Corso ein. Stattdessen vertraute er sie der Obhut seiner Cousine an, die als Witwe der mächtigen Familie der Orsinis angehörte und unter komfortablen Umständen ganz in unserer Nähe lebte.
    Seit dem Tod meines Vaters hatte ich den Palazzo nicht mehr verlassen. Man muss sich das weitläufige Gelände innerhalb der Mauern mit den vielen Nebengebäuden und den Hunderten von Dienern, Schreibern, Höflingen und Gefolgsleuten als eigene kleine Stadt vorstellen. Unmittelbar vor dem Eingang lag ein hübscher Platz, den der Kardinal sozusagen als Erweiterung seines Besitzes verstand und für allerlei Unterhaltungen für die Bürger wie zum Beispiel Stierkämpfe, Pantomime-Aufführungen oder Feuerwerke nutzte. Er ging sogar so weit, die übrigen Fassaden auf seine Kosten verschönern zu lassen, um dem Platz ein einheitliches Bild zu verleihen, das seinem außergewöhnlichen Geschmackssinn entsprach.
    Wie seinen Palazzo hatte Borgia auch die übrigen Gebäude mit prächtigem Travertinmarmor verkleiden lassen, der aus dem nahen Tivoli stammte. Inzwischen fand man den Stein überall in der Stadt – an Brücken, Kirchen und Palazzi, ja selbst auf den Fensterbänken der einfacheren Häuser und als Randsteine entlang der Gehwege der gepflasterten Straßen.
Solltet Ihr Rom besuchen und das Glück haben, innerhalb der Mauern zu wohnen, so empfehle ich Euch, einmal früh am Morgen aufzustehen und zu beobachten, wie die aufgehende Sonne das einförmige nächtliche Dunkel der Stadt in allen Rottönen erglühen lässt, bevor der Stein, wenn sie untergeht, immer dunkler, fast lila wird und zuletzt in einen stumpfen Goldton übergeht. Man sagt, dass Roms Farbpalette feiner abgestimmte Töne besitzt als alle anderen Städte der Welt, und ich sehe keinen Grund, daran zu zweifeln.
    Wie immer, wenn ich die nächste Umgebung dieses Platzes verließ, fühlte ich mich einen Augenblick lang seltsam fremd. In der Stadt herrschte das übliche Durcheinander. Menschen, wohin ich auch blickte. Einige gingen zu Fuß oder ritten, während andere in Sänften, Karren oder Kutschen befördert wurden und alle ein unglaubliches Gewirr aus Stimmen und Bewegungen erzeugten, dass einem schwindlig wurde. Priester, Händler, Bauern, Soldaten und staunende Besucher drängten sich in den engen Gassen. Man sagt, dass in Rom alle Sprachen dieser Erde zu hören sind. Nach der Spaltung der Kirche während des großen Papstschismas war die Stadt Rom vor einigen Jahrzehnten durch die Wiedervereinigung der Kirche zum Zentrum der christlichen Welt geworden und hatte sich von einer unbedeutenden mittelalterlichen Stadt voll antiker Ruinen und einer stark zurückgegangenen Bevölkerung förmlich über Nacht zur größten Stadt Europas entwickelt.
    Nichts veranschaulicht die Wiedergeburt der Stadt Rom besser als die großartigen Palazzi, die sich die mächtigen Familien bauen ließen. Zu den ersten gehörte der mächtige, hoch aufragende Palazzo des Kardinals, der auf einer antiken
Münzstätte erbaut war. Doch es dauerte nicht lange, bis ihn die Orsini mit der weitläufigen Anlage ihres Palazzo auszustechen suchten. Genau genommen müsste es Palazzi Orsini heißen, weil sich mehrere große Gebäude um einen inneren
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