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Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Titel: Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
Autoren: Sara Poole
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Hof gruppieren, die von verschiedenen Zweigen der Familie bewohnt werden. Mein Ziel war der Flügel der Anlage, der an eine enge Gasse grenzte und Ausblick auf den Tiber bot.
    Ich war kaum in die wunderbar kühle Marmorhalle eingetreten und hatte mich bei dem Majordomus gemeldet, als auch schon ein schlankes Mädchen auf mich zustürmte. Sie war mit ihren zwölf Jahren fast schon eine erwachsene Frau. Eine blonde Lockenmähne rahmte ihr herzförmiges Gesicht ein. Sie schlang die Arme um mich und drückte mich an sich. Dabei duftete sie bezaubernd nach Veilchen und einem Hauch Vanille.
    »Ich habe mich so um Euch gesorgt!«, rief sie. »Wo wart Ihr nur? Ich habe um Euch geweint … um Euren Vater … um euch beide! Warum seid Ihr so lange nicht gekommen?«
    Wie sollte ich ihr, der einzigen heißgeliebten Tochter des Kardinals, erklären, warum sie vernachlässigt worden war? Wie konnte ich sie um Vergebung bitten?
    »Es tut mir sehr leid«, sagte ich und umarmte sie. »Ich wäre keine gute Gesellschaft gewesen, aber ich wusste, dass Ihr an mich denkt und für mich betet, und dafür danke ich Euch von Herzen.«
    Lucrezia lächelte, doch als sie mich genauer ansah, verschwand das Lächeln sofort. Wir kannten uns praktisch schon unser Leben lang und teilten dasselbe Los: Wir waren beide die Töchter gefürchteter Männer. In unserer Einsamkeit
freundeten wir uns an und genossen eine Art schwesterlicher Verbundenheit, auch wenn das die gesellschaftliche Kluft zwischen uns nicht beseitigte.
    »Ihr seid viel zu blass«, erklärte Lucrezia. Obwohl sie sieben Jahre jünger war als ich, kehrte sie selbstbewusst ihre höhere Position hervor. »Und Ihr seid mager geworden. Und erst Euer Haar. Warum tragt Ihr nur immer diesen Zopf? Ihr habt wunderschönes Haar … so ein schönes Rot. Ihr solltet es offen tragen, damit jeder es bewundern kann.«
    Lächelnd trat ich einen Schritt zurück.
    »Mein Haar ist weder wunderschön noch suche ich Bewunderung. Ich trage es hochgesteckt, weil das praktischer ist.«
    Lucrezias gute Laune schwand so schnell wie ihr Interesse an mir. Sie zog eine kleine Schnute und seufzte.
    »Vielleicht sollte ich mir ein Beispiel an Euch nehmen. Habt Ihr es schon gehört?«
    » Was denn?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort bereits kannte. Trotz der Trauer um meinen Vater hatte ich das Gerede im Palazzo sehr wohl gehört. Wir hakten uns ein, während wir von der Eingangshalle zu den Räumlichkeiten der Familie gingen.
    »Auch meine zweite Verlobung wurde gelöst! Ich werde nie einen Mann bekommen! Was denkt mein Vater nur? Er hat mich schon zwei Männern versprochen, tüchtigen Edelleuten und außerdem Spanier wie wir selbst, und doch hat er jedes Mal seine Meinung geändert. Ich werde gewiss als alte Jungfer enden!«
    »Unsinn! Ihr werdet eine wunderbare Hochzeit feiern, und Euer Mann wird Euch ein Leben lang lieben.«

    »Glaubt Ihr das wirklich?«
    Tat ich das? Dass der Kardinal seiner einzigen Tochter eine prächtige Hochzeit ausrichten würde, stand außer Frage. Alles, was er tat, diente dem Zweck, das Ansehen und den Ruhm seiner Familie zu mehren. La famiglia . Ob er der Meinung war, dass der Aufstieg der Borgias der Kirche und der Christenheit nützte? Womöglich interessierte es ihn gar nicht. Jedenfalls war das Wohl seiner Familie die Richtschnur seines Handelns, aber ob das auch Lucrezias persönliches Glück einschloss – wer konnte das schon sagen?
    »Es wird alles nach dem Willen Gottes geschehen«, beendete ich das Thema. »Aber jetzt muss ich mit Madonna Adriana sprechen. Wollt Ihr mich begleiten?«
    Auf dem langen Weg durch die Gänge voller Statuen setzten wir unsere Unterhaltung fort. Einige waren neu, doch die meisten stammten aus Grabungen, die zurzeit in der Stadt im Gange waren. Ich hätte zu gern erfahren, was Lucrezia über den gestrigen Tag wusste, der meine Zukunft entschieden hatte. Aber die Kleine ließ sich nichts anmerken und plapperte nur fröhlich. Als Tochter des Kardinals war Lucrezia allerdings klüger und verschwiegener, als ihr Alter vermuten ließ, sodass man nie sagen konnte, was genau sie wusste oder wie sie es erfahren hatte.
    Zu guter Letzt kamen wir in den Teil der Palazzi, wo die Familie des Kardinals wohnte. Der Wachsoldat vor dem Eingang verbeugte sich, als wir durch die bronzene Gittertür eintraten. Dahinter öffnete sich eine Welt duftender Gärten, plätschernder Brunnen, mit Seide bespannter Boudoirs und ganz in Gold gehaltener Räume, dass ich mich wie
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