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Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Titel: Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
Autoren: Sara Poole
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Er sollte nicht merken, dass ich ihn ablehnte, damit ihn seine Eitelkeit nicht zu Dummheiten verleitete.
    »Nun gut, Francesca!«, murmelte er schließlich. Dann wirbelte er herum und stürmte davon, dass sich sein roter Mantel hinter ihm bauschte.
    Ab und zu erscheint er in meinen Träumen, die mir die Schamesröte ins Gesicht treiben.

    Im Westen zogen dunkle Gewitterwolken auf, doch Anzeichen für baldigen Regen gab es nicht. Nachdem meine Pflichten im Palazzo Orsini erledigt waren, schlug ich den Weg zum Markt ein. Ich ging schnell und zielstrebig und ignorierte die Rufe der jungen Männer, die sich mit Vorliebe in zweifarbige Hosen kleideten, große Federn am Hut trugen und nichts Besseres zu tun hatten, als sich auf der Straße herumzutreiben, Frauen zu beleidigen und Streit zu suchen. Sie waren auch der Grund, warum ich es gelegentlich vorzog, in Knabenkleidern durch die Stadt zu gehen. Ich verrate dieses Geheimnis nur ungern, weil wir alle wissen, dass genau das der Hauptvorwurf war, den man der heiligen Johanna vor einigen Jahrzehnten gemacht hatte, bevor das Tribunal sie der Häresie für schuldig befand und lebendig auf dem Scheiterhaufen verbrannte. Dass die Kirche das inzwischen anders sieht, ist nur ein schwacher Trost.
    Zwischen der Basilica di San Rocco, dem Sitz des Bischofs von Rom, also des Papstes, und dem Vatikan erstreckt sich der Campo de’ Fiori, der größte Markt der Stadt, wohin jeder kommt, wie man sagt, und sei es auch nur, um den zahlreichen Exekutionen beizuwohnen. In dieser Gegend wurde kein Travertin verbaut, sondern man setzte wie früher auf solide gebrannte Ziegel aus Tiberschlamm, die an sonnigen Tagen golden schimmern.
    Wie immer herrschte unter den Händlern, Käufern und Bauern rege Geschäftigkeit, während sich die unvermeidlichen Diebe der Knüppel schwingenden Wachen erwehren mussten, mit deren Hilfe die Händler ihren Kunden ein Gefühl der Sicherheit geben wollten. All das spielte sich zwischen Bergen von Abfall und Innereien ab, deren Gestank
bis in die sauberste Gasse drang, wo die Blumenhändler ihr Angebot an Töpfen und Spalieren feilboten.
    Ich ging an der Gasse der Armbrust- und Truhenmacher vorbei und warf einen Blick auf das Angebot der Stoffhändler und Goldschmiede, bevor ich die Via dei Vetrai erreichte, wo sich eine Glasbläserei an die andere reiht.
    Früher war ich oft hier gewesen. Sehr oft sogar. Dennoch zögerte ich, in die Gasse einzubiegen. Da diese Stadt von Klatsch und Gerüchten lebte, hatte sich mein Aufstieg in Borgias Diensten vermutlich längst herumgesprochen. Ich spürte, dass mir zahllose Blicke folgten, während ich an einem Dutzend Läden vorüberging und schließlich vor einem bescheidenen Holzhaus stehenblieb, das zwischen den beiden Nachbarhäusern fast verschwand.
    Ein knapp sechsjähriger Junge mit dunklem Schopf und weichen Gesichtszügen saß im Schneidersitz neben einer Auslage verschiedener Glaswaren und spielte mit gläsernen Murmeln. Er sah mich einen Moment lang verdutzt an, bevor er aufsprang und mit ausgebreiteten Armen auf mich zurannte. Lächelnd kniete ich mich hin, um ihn aufzufangen.
    »Donna Francesca!«, rief der Kleine und richtete sich auf, um mich anzusehen. »Geht es Euch gut?« Er tätschelte mir mit seiner kleinen Hand die Wange. »Es tut mir leid, dass Euer Papa gestorben ist. Ihr seid bestimmt traurig.«
    Meine Kehle krampfte sich zusammen, und einen Augenblick lang wagte ich nicht zu antworten. Ich kannte Nando schon, seit er ein Wickelkind war, hatte über sein Gekasper gelacht und ihn getröstet, wenn ihn jemand gekränkt hatte oder er enttäuscht war. Und wenn ich mich manchmal nach einem eigenen Kind sehnte, so immer in seiner Gegenwart.
»Ich bin traurig, das stimmt«, sagte ich, weil ich ihn nicht mit Unwahrheiten abspeisen wollte. »Doch jetzt freue ich mich, weil ich bei dir bin.«
    Offenbar genügte ihm meine Antwort, denn er ließ mich los und sauste ins Haus. Ich hatte gerade noch Zeit zum Aufstehen, als ein breitschultriger Mann mit nacktem Oberkörper und einer Lederschürze bekleidet aus der Werkstatt trat.
    »Francesca!«
    Ich brachte ein Lächeln zustande, das meine Unsicherheit überspielen sollte. Rocco Moroni war Ende zwanzig und von Beruf Glasbläser. Vor ungefähr sechs Jahren war er mit nichts weiter als seiner Kunst und einem mutterlosen Sohn nach Rom gekommen. Damals war mein Vater einer seiner ersten Kunden. Bei unseren häufigen Besuchen im Laden habe ich Rocco Moroni oft heimlich
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