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Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Titel: Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Poole
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loderten jetzt auch in den Niederlanden, in den Stadtstaaten der italienischen Halbinsel und überall in Europa. Größtenteils waren Ketzer die Opfer. Doch wie viel leichter war es, einen Mann, eine Frau oder sogar ein Kind der ungleich schwereren Sünde des Umgangs mit Satan zu bezichtigen. Auch Heiler wurden genau wie Giftkundige ein Opfer der Flammen. Nur weil sie anders waren als ihre Mitmenschen, wurde ihre Haut vom Feuer versengt, bis das Fett zischte, ihre Knochen brachen und ihre Hoffnungen und Träume zu Asche wurden.
    Um mich von den düsteren Gedanken abzulenken, begann ich, meine Truhen und Kisten auszupacken. Doch gleich darauf fuhr ich herum und musste mir die Hand auf den Mund pressen. Ich sank auf die Knie, zog den Nachttopf unter dem Bett hervor und beugte mich darüber, während sich ein bitterer Strom aus meinem Magen in den Topf ergoss und mich beinahe erstickte.
    Disgustoso!
    Glaubt jetzt nur nicht, dass ich zu solcher Schwäche neige. Aber die Ereignisse dieses denkwürdigen Tages, das verzweifelte Wagnis, das mir aufgezwungen worden war, und die Furcht vor der Todsünde, die meine Tat bedeutete, waren zu viel für mich. Ich blieb einfach liegen, wo ich gerade war, und wehrte mich nicht, als mich die Erschöpfung wie auf einer Flutwelle in uferlose Ferne davontrug.
    Fast augenblicklich überfiel mich der Alptraum, der mich schon mein Leben lang peinigte. Ich befand mich in einem engen Zimmer hinter einer Mauer. Durch ein kleines Loch spähte ich in einen von Schatten erfüllten Raum, manche bewegten sich. Die Dunkelheit um mich her wurde von
Lichtblitzen erhellt. Blut quoll hervor, schlug gegen die Mauern und drohte, mich zu ertränken. Ich erwachte von meinen Schreien. Im Lauf der Jahre hatte ich zwar gelernt, sie in den Kissen zu ersticken, aber auf dem nackten Fußboden war das unmöglich.
    So rasch ich es vermochte, rappelte ich mich auf. Ich zitterte an allen Gliedern und spürte, wie heiße Tränen über meine Wangen liefen. War jemand ins Zimmer gekommen und hatte mich in diesem Zustand gesehen? Oder war gar jemand hier und wartete irgendwo in den Schatten? Der Spanier war nicht weit von der Stelle gestorben, wo ich gerade stand. War sein Geist noch immer hier im Zimmer? Oder der Schatten meines Vaters, der keine Ruhe fand, bevor ich meinen Eid nicht eingelöst und seinen Tod gesühnt hatte?
    Mit hämmerndem Herzen zündete ich die Kerze neben dem Bett an. Aber der spärliche Lichtschein spendete keinen Trost. Vor den Fenstern stieg der Mond am Himmel empor und warf sein silbernes Band quer über den Garten und die Stadt hinter der Mauer. Rom schlief, sofern man das überhaupt sagen konnte. In den engen Gassen und den Straßen im Schatten der Kurie waren die Ratten bei der Arbeit, benagten schnuppernd, was sie fanden, und labten sich an allem, dessen ihre gierigen Krallen habhaft wurden. Ich hob den Blick und starrte in die Ferne, wo ich meinte, mit einem Mal schimmernde Tentakel zu erkennen, die ständig wuchsen und sich gierig nach der Macht und dem Glanz der Christenheit ausstreckten. Die Vision war zwar nur eine Sinnestäuschung meines gepeinigten Kopfs – und doch war sie echt. So echt wie die Gerüchte, dass das Oberhaupt
der Kirche, der Vertreter Christi auf Erden, Papst Innozenz VIII., im Sterben lag.
    Stirbt er einen natürlichen Tod?
    Sagt jetzt nicht, dass Euch dieser Satz erschreckt. Leben wir doch in einer Zeit, in der Gift zum Leben gehört. Alle mächtigen Familien beschäftigen Menschen wie mich, um sich zu schützen oder, falls nötig, ein Exempel an einem Feind zu statuieren. So sind die Dinge nun einmal. Selbst der Thron des heiligen Petrus dürfte dagegen kaum gefeit sein, ist er doch die höchste Ehre, um die sich die mächtigen Familien wie blutrünstige Hunde streiten. Wer den Thron innehat, sollte nie allzu ruhig schlafen. Oder gar etwas zu sich nehmen, das nicht zuvor gekostet wurde. Aber das ist selbstverständlich nur meine berufliche Meinung.
    Cui bono? Wem nützte der Tod des Papstes?
    Völlig erschöpft entledigte ich mich meiner Kleider und schlüpfte ins Bett. Ich umschlang meine Knie und fühlte den kühlen Damast des Kissens unter meiner Wange. Der Palazzo lag längst in tiefem Schlummer, und kurz darauf schlief auch ich ein, so geborgen fühlte ich mich in der Burg dieses Mannes, der seit Jahrzehnten danach strebte, die Papstwürde als letzten Edelstein in seine irdische Krone einzusetzen.
    Am Morgen sammelte ich die Sachen auf, die ich in der Nacht

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