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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin
Autoren: Ursula Niehaus
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tierra y del regno di Valencia« – Seide aus der Stadt und der Region Valencia – handle, ganz so, wie sie es wünsche. Wenn sie mit der Qualität nicht zufrieden sei, so möge sie andere Seide bestellen.
    Doch so schnell hatte Fygen sich nicht entmutigen lassen. Voller Zorn hatte sie erneut zweieinhalbtausend Pfund geordert, diesmal mit der klaren Anweisung, man möge ihr die beste aller in Valencia lieferbaren Seide senden.
    Wie gut sie daran getan hatte, am Glauben an die Qualität der Seide aus Valencia festzuhalten, erkannte Fygen nun, als sie die richtige Seide in Händen hielt. Sie war viel feiner als alles, was sie je an Rohseide gesehen hatte.
    Doch zu ihrem Ärger hatte man diesmal die Ballen so schlampig verpackt, dass auf der langen Reise nach Norden Feuchtigkeit durch die Verpackung gedrungen war. Und jetzt im Winter bei der feuchtkalten Witterung würde man die Seide auch nicht trocknen können, dachte sie. Doch dafür war es ohnehin zu spät, der Schimmel hatte längst Besitz von der gesamten Ware ergriffen.
    Fygen schnaubte leise. Sie hatte nicht übel Lust, Stephan, der abwartend neben ihrem Pult stand, Anweisung zu geben, die ganze Lieferung heute noch im Rhein versenken zu lassen. Verkaufen konnte und durfte sie die Seide so nicht. Aus gutem Grund verbot die Zunftordnung, Seide zu veräußern, die durch die Aufnahme von Wasser an Gewicht gewonnen hatte, damit der Käufer nicht übervorteilt wurde.
    Mit diesem stinkenden Unrat konnte sie bestenfalls ihren Ruf als Kauffrau ruinieren, schlimmstenfalls würde sie eine Bestrafung des Rates auf sich ziehen. Ohnehin würde niemand dafür die üblichen zweihundertfünfzig Gulden pro Zentner zahlen.
    Der Gedanke ließ Fygen sich auf ihre Pflichten als Lehrherrin besinnen, und sie wandte sich wieder Stephan zu: »Das Wertvollste, was du als Kaufmann hast, ist dein Ruf, dein guter Name! Er ist beinahe wichtiger noch als dein Kapital. Vergiss das nie: Ehrlichkeit und Verlässlichkeit, darauf kommt es an!«, schärfte sie ihm ein. Mit einem Wink entließ sie ihren Lehrjungen, und als dieser die Tür hinter sich geschlossen hatte, fügte sie für sich hinzu: »Das scheint sich aber bis Valencia noch nicht herumgesprochen zu haben!«
    Es schien wirklich so, als habe sich dort etwas gegen sie verschworen. Dabei lag ihr gerade diese Unternehmung sehr am Herzen. Wobei es weniger der mögliche Gewinn war, der sie reizte, als vielmehr, den Beweis anzutreten, dass sie als Frau es ebenso gut vermochte, Handelsgeschäfte zu führen, wie ihre männlichen Kollegen.
    Denn Fygen wusste, dass einige der geschätzten kölnischen Kaufleute das sehr einträgliche und daher begehrte Faktorenamt für die Ravensburger gerne für sich beansprucht hätten. Man nannte die Kompanie nicht umsonst die »Große Ravensburger Handelsgesellschaft« – sie war neben den Vöhlin, den Welsern und den Fuggern eine der bedeutenden Oberdeutschen Unternehmungen.
    Wenn es Fygen gelänge, den kölnischen Seidmacherinnen als Erste eine Rohseide von derartiger Feinheit anzubieten, würde dies die missgünstigen Neidhammel zum Schweigen bringen, die behaupteten, eine Faktorei könne man unmöglich in die unerfahrenen Hände einer Frau legen.
    Das war auch der Grund, weshalb sie sich in der Angelegenheit nicht an die Zentrale in Ravensburg wenden und sich dort über die nachlässige Führung der Geschäfte in Valencia beschweren mochte. Mit dem Problem musste sie schon selbst fertig werden, und das bedeutete leider, dass sie für die faulige Ware auch noch würde zahlen müssen.
    Jedem Kaufmann, der ihr eine solch verdorbene Lieferung hätte zukommen lassen, hätte sie rundheraus die Bezahlung verweigert. Doch innerhalb der Gesellschaft war das anders. Waren, die zwischen der Zentrale, den Geliegern und den Faktoreien, den kleineren Vertretungen, hin und her flossen, wurden intern verrechnet. So würde ihre Faktorei ganz automatisch mit dem Preis der Seide belastet.
    Außerdem hatte sie die Kosten für die Fracht zu tragen, dazu die Akzise, die sie für die Einfuhr an die Stadt gezahlt hatte. Kurz überschlug Fygen den Verlust. Was da zusammenkam, war nicht unerheblich, vom entgangenen Gewinn ganz zu schweigen. Gewöhnlich erzielte sie mit einem Zentner Seide um die zweihundertfünfzig Gulden. Demnach hätte sie für die zweieinhalbtausend Pfund sechstausendzweihundertfünfzig Gulden erhalten, für diese feine Qualität sicher mehr.
    Fygen griff nach der Feder, die sie bei Stephans Eintreten
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