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Die Tiere in meiner Arche

Die Tiere in meiner Arche

Titel: Die Tiere in meiner Arche
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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nächtliche Ausflüge in die umliegenden Wälder zu machen, augenblicklich wieder auf. Als wir schließlich an Bord des Schiffes gingen, das uns nach Europa bringen sollte, mußte ich allerdings ihren Käfig innen mit Metall ausschlagen, so leid mir das tat; ich konnte mir nicht vorstellen, daß der Kapitän des Schiffes für die nächtlichen Exkursionen meiner Ratte Verständnis aufbringen würde. Die Ratte schien zu begreifen, daß dieses Kapitel ihres Lebens nun beendet war. Sie fügte sich ganz zufrieden in ihr neues Leben, und es freut mich sagen zu können, daß sie in dem Zoo, in den sie geschickt wurde, noch zehn Jahre lebte.

Jahre später, als ich auf einer Sammelexpedition in Paraguay war, brach dort eine Revolution aus. Paraguay gehört zu jenen südamerikanischen Ländern, in denen der Nationalsport nicht Fußball heißt, sondern Revolution. Da keine Mannschaft einen klaren Sieg erkämpfen konnte, zog sich das Spiel sehr in die Länge. Ich konnte das Land nicht verlassen und mußte deshalb die Tiere, die ich gefangen hatte, auf freien Fuß setzen. Die meisten waren schon seit gut drei Monaten in Gefangenschaft und hatten an diesem Zustand Gefallen gefunden. Sie weigerten sich also zu verschwinden. Tag und Nacht trieben sie sich in der Nähe des Lagers herum, warteten darauf, gefüttert zu werden, und ein paar energische Papageien mit kräftigen Schnäbeln hackten sich durch Holz und Draht hindurch sogar einen Weg zurück in die Käfige. Die Tiere natürlich, die wir erst kurz zuvor gefangen hatten, verschwanden in der Wildnis, als wir sie freiließen; die anderen aber, die am Leben in Gefangenschaft bereits Geschmack gefunden hatten, mußten mit Gewalt in ausreichender Entfernung vom Lager ausgesetzt werden, ehe sie begriffen, was von ihnen erwartet wurde.
    Aufgrund solcher Erfahrungen fällt es mir schwer, für die Beanstandungen schlecht informierter Zookritiker Verständnis aufzubringen. Sie behaupten, es wäre unrecht, dem Tier die >Freiheit< zu nehmen. Wenn sie auch nur ein Fünkchen Wissen über das Leben des Tieres besäßen, würde mich das nicht stören, aber ihr Nichtwissen ist in ihre Kritik impliziert und würde übersetzt folgendermaßen lauten: Wenn man ein Tier in einen Käfig steckt, nimmt man ihm die Möglichkeit, eine Gesellschaftsreise an die Costa Brava zu machen, ein Konzert in der Albert Hall zu besuchen oder zum Skilaufen in die Alpen zu fahren. Diese Leute, die es so gut meinen, sehen im Tier nichts anderes als eine Art menschliches Wesen mit Fell; Onkel Fred und Tante Frieda im Pelzmantel. So ist es aber nicht. Tiere sind Individuen, die die Dinge aus ihrer eigenen Perspektive sehen, die ihre eigenen Vorlieben und Abneigungen haben. Es ist deshalb wichtig, besonders wenn man Kritik übt, daß man sich bemüht, die Dinge nicht vom eigenen Standpunkt aus, sondern vom Standpunkt des Tieres aus zu betrachten. Schließlich möchten Sie nicht unbedingt mit einem weiblichen Nilpferd intim verkehren, aber die männlichen Nilpferde tun es mit Freuden.
    Aufgrund dieser verfehlten Einstellung zur Gefangenschaft des Tieres entstand die anthropomorphische Architektur. Die Menschen wissen nicht, was das Tier haben möchte, aber sie bilden sich ein, es zu wissen, und meinen, es wäre genau das gleiche wie das, was sie selbst gern haben möchten. Schöne, große Käfige, lautet die Losung. Solange der Käfig groß ist, kann man ihn ertragen. Daß das Tier vielleicht ein Bodenbewohner ist, der viel Grund braucht, statt dessen aber in einem Käfig eingesperrt ist, der die Form einer Standuhr hat, beachtet man nicht; daß ein Baumbewohner in einem Käfig, der ihm höchstens einen Meter Höhe läßt, dahinvegetiert, ignoriert man. Und man bedenkt auch nicht, daß der schöne, große Käfig ein zwar hygienischer, aber tödlich langweiliger Betonkasten ist, der dem Tier keinerlei Beschäftigung bietet, in dem es weder klettern, noch springen, noch schaukeln, noch seine Geschicklichkeit zur Schau stellen oder sein Territorium abstecken kann.
    Fast immer wird an Zookäfigen nur beanstandet, daß sie zu klein sind und daß sie Eisenstangen haben. Nun, wie wir bereits gesehen haben, ist die Größe nicht der wichtigste Aspekt des Käfigs. Jetzt kommen wir zu den Gitterstangen. Das ist ein recht haariges Thema. Trotz der Tatsache, daß die Eisenstangen der viktorianischen Menagerie in den meisten modernen Zoologischen Gärten durch weniger aufdringliches Material ersetzt worden sind, bedeutet für viele
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