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Die Tiere in meiner Arche

Die Tiere in meiner Arche

Titel: Die Tiere in meiner Arche
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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Nagetiere hatten, waren dieselben drei, von denen höchstwahrscheinlich das Leben aller Tiere bestimmt wird: der Trieb, sich fortzupflanzen und das Bedürfnis zu essen und zu trinken. Diesen drei Dingen entspringt der Anspruch auf ein Territorium, und das Territorium ist eine Art natürlichen Käfigs. Ich will damit nicht sagen, daß Kritik an der Gefangenschaft von Tieren falsch ist; ich sage nur, daß die meisten Leute aus den falschen Gründen kritisieren. Die anthropomorphe Einstellung ist es, die so fatal ist.
    Wenn man Expeditionen unternimmt, um Tiere zu sammeln, lernt man eine Menge über das Territorium und auch über die Fluchtdistanz der Tiere. Mit >Fluchtdistanz< bezeichnet man die Entfernung, auf die ein Tier einen Feind herankommen läßt, ehe es flieht. Alle Tiere, selbst der Mensch, haben eine solche Fluchtdistanz. Wenn Sie es mir nicht glauben, dann gehen Sie mal auf eine Weide, wo ein Stier grast und stellen Sie selbst ihre eigene Fluchtdistanz fest. Die schwierigste Aufgabe, vor die man sich gestellt sieht, wenn man ein frisch gefangenes wildes Tier hat, ist die, dem Tier beizubringen, daß es seine Fluchtdistanz verringert- man selbst ist ja der Feind und ständig in nahem Kontakt mit ihm. Man muß ihm außerdem ein neues Territorium beschaffen.
    Nehmen wir beispielsweise ein Eichhörnchen. Wenn man ein Eichhörnchen, das man eben gefangen hat, in eine simple Holzkiste mit einer Maschendrahttür setzt — und so sehen die meisten Reisekäfige aus-, dann wird das Tier jedesmal, wenn man in seine Nähe kommt, voller Angst wie verrückt herumspringen. Und das wird Monate so gehen, vielleicht sogar immer, und zwar aus dem einfachen Grund, weil ihm mit einem Schlag seine Fluchtdistanz und sein Territorium genommen wurden. Es kann den riesigen Menschenhänden nicht entrinnen, wenn diese in seine Liliputwelt eindringen, um Futter zu geben und den Käfig zu säubern.
    Nun setzen wir dasselbe Eichhörnchen in dieselbe Kiste, die diesmal jedoch an einem Ende mit einem Schlafraum versehen ist. Dieser Schlafraum ist erreichbar durch ein Loch, das gerade groß genug ist, um das Eichhörnchen hindurchschlüpfen zu lassen. Augenblicklich ändert sich das Bild. Jetzt hat das Tier eine Schutzzone, in die es sich zurückziehen kann, wenn man in sein Territorium eindringt. Aus der Geborgenheit seines Schlafraums kann es, wenn auch nicht mit Gleichmut, so doch ohne allzu große Beunruhigung, beobachten, wie sein Käfig gereinigt wird, wie die alten Früchte herausgenommen und frische hineingelegt werden, wie die Wasserschalen frisch gefüllt werden. Es ist natürlich wichtig, daß man diese Schlafzone zunächst möglichst unberührt läßt, um auf diese Weise das Vertrauen des Tieres aufzubauen. Manchmal allerdings ist das leichter gesagt als getan; manche Tiere nämlich sind, wie manche Menschen, entsetzliche Hamster und schleppen gewissenhaft alles Futter, das ihr Magen nicht aufnehmen kann, von dem sie aber überzeugt sind, daß sie es später einmal gebrauchen können, in ihren Schlafraum. Wenn der Geruch nach verfaulenden Futterresten allzu durchdringend wird, muß man in den Schlafraum eindringen und ihn säubern, aber je länger man das hinauszögern kann, desto besser ist es.
    Wenn das Tier sich einmal eingelebt hat, dann wird es sich auf Ihr periodisches Eindringen in seinen Schlafraum sogar freuen, denn das bedeutet ja, daß es nun einen frischen Vorrat an Bananenblättern und Gras bekommt, und gleichzeitig ziehen winzige Insekten ein, die man verspeisen kann, Gerüche aus der Außenwelt, die beschnüffelt und begutachtet werden wollen und schließlich noch die Aufregung und Aktivität, die das Bettenmachen nun einmal mit sich bringt.
    Ich habe festgestellt, daß diese Schlafraummethode sich bei den meisten kleinen Säugetieren ausgezeichnet bewährt. Ein wildes Eichhörnchen lebte sich so gut ein, daß es nach drei Tagen, als ich seinen Schlafraum reinigen mußte, tatsächlich hereinkam und anfing, die Bananenblätter zu zerreißen und sein Bett zu richten, während ich sie noch hineinschob.
    Im Fall eines äußerst angriffslustigen und stimmkräftigen Zwergichneumons war es so, daß dieser innerhalb von zwei Stunden nicht nur seinen Schlafraum als unantastbar betrachtete, sondern seinen ganzen Käfig. Er nahm den Käfig augenblicklich als sein Territorium an und verteidigte es mit dem wütenden Ingrimm eines verwundeten Tigers. Nur mit List und Schläue gelang es, ihn an ein Ende des Käfigs zu drängen,
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