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Die Tiere in meiner Arche

Die Tiere in meiner Arche

Titel: Die Tiere in meiner Arche
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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manche Tiere die Gefangenschaft akzeptieren. Riesenhamsterratten sind große, graue Nagetiere, etwa von der Größe einer halbwüchsigen Katze. Man findet sie in großer Zahl in Teilen Westafrikas. Im großen und ganzen sind sie recht phlegmatische Geschöpfe, aber sie haben, wie alle Tiere, ihre kleinen Eigenheiten. Bei ihnen handelt es sich, wie es scheint, um einen absoluten Mangel an Furcht. Ich bin noch nicht einer Riesenhamsterratte begegnet, die nicht beißt. Man braucht nur die Hand hinzustrecken, und schon beißt sie wütend zu, wenn auch auf eine beinahe beiläufige Art. Der französische Ausdruck en passant beschreibt das sehr gut.
    Sie haben noch eine zweite merkwürdige, höchst irritierende Gewohnheit, von der ich damals nichts wußte: sie sammeln nämlich in ihren riesigen Backentaschen alles Futter, das sie auf einen Sitz nicht auffressen können, und schleppen es in ihren Schlafraum. Als ich nun meine erste .Riesenhamsterratte fing, holte ich mir natürlich auch gleich meinen ersten Beutelrattenbiß und ließ daraufhin den Schlafraum des Tieres nur zu gern unangetastet. Mir fiel jedoch sofort auf, daß ich der Ratte offenbar nicht genug zu fressen gab. Ihr Napf war stets wie leergefegt, und mit zitternden Schnurrbarthaaren pflegte sie mich von ihrem Schlafraum aus mit seelenvollen Blicken anzustarren.
    Immer mehr Futter schob ich ihr in meiner Verzweiflung in den Käfig, bis sie eines Tages gar nicht mehr in ihren Schlafraum hineinkroch. Als ich diesem Phänomen auf den Grund ging, stellte ich fest, daß ihr Schlafraum so vollgepfropft war mit gehamstertem Futter, daß sie selbst keinen Platz mehr darin fand. Jetzt reduzierte ich die Futtermengen und startete alle zehn Tage eine Invasion in den Schlafraum. Als ich ihn das zweitemal reinigte, sah ich, daß trotz meiner Rationierungsmaßnahmen noch immer große Futtervorräte vorhanden waren. Offensichtlich also gab ich der Ratte noch immer zuviel zu fressen. Ich verringerte daher die Mengen an leicht verderblichen Nahrungsmitteln wie Bananen, und erhöhte die Rationen an haltbareren Nahrungsmitteln wie Süßkartoffeln und Erdnüssen. Damit schien das Problem der Sauberhaltung des Schlafraums gelöst zu sein.
    Dann jedoch tat meine Riesenhamsterratte etwas, das mich, gelinde gesagt, verblüffte. Eines Abends machte ich mich daran, ihren Schlafraum zu säubern und fand ihn leer vor. Nur die Futtervorräte waren noch da. In der hinteren Wand des Schlafraums klaffte ein säuberlich geknabbertes Loch. Wie mein afrikanischer Tierpfleger sagte, »das Mistvieh hat sich in die Büsche geschlagen«. Ich tröstete mich mit dem abgenützten Sprichwort, daß man aus Erfahrung klug wird, über meine Dummheit hinweg und nahm mir vor, in Zukunft Käfige für Riesenhamsterratten mit Metall zu sichern. Am nächsten Morgen wollte ich den Käfig holen, um das machen zu lassen, und siehe da, die Ratte lag zusammengerollt in ihrem Schlafraum.
    Im ersten Moment traute ich meinen Augen nicht. Daß ein Tier freiwillig in die verhaßte Gefangenschaft zurückkehrte, verstieß doch gegen alles, was die sogenannten Tierfreunde predigen. So etwas hatte man noch nie gehört. Ich ließ also meine Hamsterratte in Frieden und beobachtete sie eine Weile. Jeden Abend kam sie aus ihrem Schlafraum in den Käfig, fraß und trank und schleppte dann gewissenhaft alles, was in ihrem Magen keinen Platz mehr hatte, in den Schlafraum. Ihre Backentaschen waren dabei so aufgebläht wie die Backen eines Kindes, das Mumps hat. Wenn sie alle ihre Vorräte verstaut hatte, machte sie mit viel Geraschel und Getue ihr Bett. Sie streckte die Nase durch das Loch in der Rückwand ihres Schlafraums und schnüffelte, kehrte wieder um und machte sich noch ein wenig an ihrem Bett zu schaffen, tauchte dann wieder am Durchschlupf auf und verschwand in der Nacht. Zweieinhalb Stunden später war sie zurück. Ohne Zögern schlüpfte sie in ihren Schlafraum, nahm noch einen kleinen Imbiß zu sich, rollte sich zusammen und fiel augenblicklich in friedlichen Schlummer.
    Zwei Monate lang ging das so. Dann mußte ich etwa zweihundertfünfzig Kilometer weiter südlich ziehen. Ich war gespannt, wie meine Ratte auf diesen Umzug reagieren würde. Für die Reise nagelte ich ein Brett über den Durchschlupf; doch sobald wir uns im neuen Lager niedergelassen hatten, entfernte ich es wieder. Die Riesenhamsterratte ließ die Reise mit der Gelassenheit eines routinierten Jet-Setters über sich ergehen und nahm ihre Gewohnheit,
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