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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure
Autoren: Martina André
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sich die Engländer die Hände.« Er schwieg einen Moment und versuchte sich dann an einem aufmunternden Lächeln. »Ich gehe jetzt einer anständigen Arbeit nach, unten in Leith, in den Docks. Es geht mir gut, und ich komme auch ohne meine kriegslüsterne Familie zurecht.« Das stimmte zwar, aber für einen Menschen, der in einem kriegerischen Clan aufgewachsen war, in dem jedes einzelne Mitglied für den anderen die Verantwortung trug, war es nicht leicht, plötzlich ganz auf sich allein gestellt zu sein.
    Einen Augenblick lang überlegte er, Madlen zu fragen, was sie nach ihrer Vertreibung aus Glencoe nach Edinburgh geführt hatte und welcher glückliche Umstand sie in die Lage versetzte, trotz des Krieges und der schlechten Wirtschaftslage ein augenscheinlich luxuriöses Leben zu führen. Mit Dienerinnen, Lakaien und einem Kleid, für das ein Mädchen in den Highlands mehr als ein Jahr arbeiten musste. Doch dann verwarf er seine Absicht, weil er befürchtete, dass sie genauso ungern über sich sprach wie er selbst.
    »Und was verbindet uns sonst noch?« Madlen tat, als ob sie seine Unsicherheit nicht bemerkte.
    »Wir verabscheuen Hinrichtungen.«
    Ihr Blick streifte ihn, und auf einmal entdeckte er die Trauer darin.
    »Kanntest du Stratton?« John konnte sich nicht vorstellen, warum eine so schöne und offenbar reiche Frau freiwillig an einer solch grausamen Veranstaltung teilnahm, schon gar nicht, wenn sie darunter litt.
    Madlen schüttelte kaum merklich den Kopf. »Nein, ich kannte Stratton nur flüchtig. Wir sind uns ein paar Mal bei jenen Teenachmittagen begegnet, mit denen die Edinburgher Gesellschaft ihre Langeweile zu vertreiben sucht. Aber du hast recht. Ich verabscheue es grundsätzlich, wenn ein Mensch auf diese Weise sein Leben lassen muss.« Sie zögerte einen Moment, bevor sie John abermals eingehend musterte. Er spürte, wie ihre Blicke seine nackten Schienbeine bis zu den Knien hinaufwanderten und weiter über den groben Rock, der seine Oberschenkel bedeckte, bis ihre Aufmerksamkeit einen Wimpernschlag lang an dem breiten Ledergürtel haften blieb, den er um seine Taille trug. »Du siehst immer noch blendend aus«, bemerkte sie lächelnd. »Ein keltischer Krieger wie er im Buche steht. Ich kann kaum glauben, dass es dich nicht weniger graust als mich, einer Hinrichtung beizuwohnen. Ich dachte immer, Männer fürchten sich nicht vor dem Tod. Jedenfalls hat Rupert, mein älterer Bruder, das früher behauptet.«
    »Und Männer mögen kein Zuckerzeug. Hat er das etwa vergessen?« John grinste breit. »Das ist eine ebensolche Lüge wie zu behaupten, dass ein Mann sich nicht vor dem Tod fürchtet. Zumindest, wenn er sein Hirn nicht versoffen hat.« Seine Stimme hatte einen spöttischen Tonfall angenommen.
    »Ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe drei Kriege erlebt, die Pest und das grausame Sterben eines kleinen Jungen, der mir sehr am Herzen lag. Seither hasse ich den Tod mehr als den Teufel.«
    Er machte eine kleine Pause, und als Madlen nichts erwiderte, fuhr er fort: »Wenn du mich fragst, fürchten sich die Männer mehr vor dem Tod als die Frauen, die bekanntlich haufenweise im Kindbett sterben und sich trotz dieses Risikos nicht scheuen, den Männern zu Willen zu sein.«
    »Und warum bist du dann hier, wenn du den Tod doch so sehr verachtest?«
    »Der Stadtrat von Leith hat die Order gegeben, dass alle arbeitenden Männer und Frauen als Zeugen an dieser Hinrichtung teilnehmen. Unser Vorarbeiter hat uns eigens dafür freigegeben. Aber du hast mich mit deiner Ohnmacht von dem Übel erlöst, ohne es zu wissen.« Er lächelte zaghaft. »Noch ein wunderbarer Zufall. Findest du nicht?«
    »Es gibt keine Zufälle, John. Das solltest du wissen, wo du doch wie ich aus den Highlands stammst.«
    Vergeblich versuchte er ihrem Blick auszuweichen.
    »Und was«, hob er vorsichtig an, »hat uns – deiner Meinung nach – hier zusammengeführt?«
    »Vielleicht war es das Schicksal?« Madlen sah ihn herausfordernd an.
    »Welches Schicksal?« Er hatte keinerlei Ahnung, worauf sie hinauswollte.
    »Bist du verheiratet?«, fragte sie.
    »Gott bewahre.« John grinste verhalten.
    »Hast du nie daran gedacht, eine eigene Familie zu gründen, John?«
    Was für eine Frage? John überlegte einen Moment, was er darauf antworten sollte.
    »Nein, bei allen Heiligen.« Ein halbherziges Lächeln flog über sein Gesicht, dann zwinkerte er scherzhaft. »Obwohl ich schon Mitte zwanzig bin. Wenn es nach meiner verstorbenen Mutter
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