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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure
Autoren: Martina André
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ginge, wäre ich längst so weit. Aber die Zeiten sind schlecht, und ich wüsste beim besten Willen nicht, wie ich mit achtzehn Pfund Jahressalär und ohne eigenes Land eine Frau und sechs Kinder ernähren sollte. Nein, nein, es ist gut so, wie es ist.«
    »Sechs Kinder? Warum müssten es gleich so viele sein?« Madlen lächelte wehmütig. »Fühlst du dich nicht trotzdem manchmal einsam, so ganz ohne einen Menschen, der dir das Bett wärmt und dem du vertraust?«
    John schluckte, bevor er antwortete. »Warum willst du das wissen?«
    »Weil
ich
mich nach einem guten Mann sehne und nach einer eigenen Familie und mir nicht vorstellen kann, dass es tief im Innern nicht jedem so ergeht.«
    »Und? Steht jemand in Aussicht, der deine Sehnsucht erfüllt?« John bereute die Frage, bevor er sie ausgesprochen hatte, und ihre Antwort gab ihm recht.
    »Bisher noch nicht«, erwiderte Madlen mit trauriger Miene. Der Ton in ihrer Stimme kam direkt aus dem Herzen, das konnte er hören.
    John spürte plötzlich sein eigenes pochendes Herz und war ratlos, was Madlen mit ihrer Offenheit bezweckte. Vielleicht hieß es ja, dass er auf mehr hoffen durfte, als einem einfachen Arbeiter zustand. Doch da war immer noch der Stolz des unbesiegbaren Kriegers, den er selbst nach dem Verlassen der Armee nicht abgelegt hatte und der ihn davon abhielt, um die Hand einer Frau zu betteln, nur weil sie ihm passend erschien. Madlen wäre ohne Frage ganz nach seinem Geschmack gewesen, und sie allein für sich zu besitzen musste den Himmel auf Erden bedeuten. Doch seiner Erfahrung nach hatten die Frauen, die ihm gefielen, ihr Herz meist schon an bessere Partien vergeben. Erst recht, wenn sie wie Madlen unglaublich schön und augenscheinlich zu Wohlstand gekommen waren. John wusste, dass es nicht gut für ihn sein konnte, mit anderen Männern um die Gunst einer solchen Frau zu buhlen. Zumal wenn er ihr kaum mehr zu bieten hatte als seinen Schutz und seinen Körper.
    »Nun ja«, gestand er beinahe flüsternd und wich dabei ihrem wachsamen Blick aus. »Tagsüber, wenn ich Baumwollballen und Fischkisten im Hafen schleppe, bemerke ich es nicht. Aber des Abends, wenn ich in meiner Koje liege und das Schnarchen meiner Kameraden mich wach hält, wünschte ich mir manchmal ein zuverlässiges Herz an meiner Seite, dem ich ganz und gar vertrauen kann und das mit einer einzigen Berührung all die Wunden zu heilen vermag, die einem das Leben tagtäglich schlägt.« Er hatte absichtlich ein wenig übertrieben und dabei poetisch klingen wollen. Doch wenn er ehrlich zu sich selbst war, wünschte er sich tatsächlich nichts sehnlicher als eine anständige Gefährtin, die das Leben mit ihm teilte, auf die er sich verlassen konnte und die nach einem zärtlichen Liebesspiel in seinen Armen einschlief.
    »Ich würde dich gerne wiedersehen, John.« Madlens dunkle, große Augen und ihr sinnlicher Mund drückten eine solche Sehnsucht aus, dass es John ganz heiß wurde. Nicht nur im Herzen, sondern auch an jener Stelle zwischen seinen Schenkeln, die sich immer meldete, wenn er eine Frau zu sehr begehrte und sich heimlich vorstellte, wie es sein würde, mit ihr das Lager zu teilen. Er rief sich augenblicklich zur Ordnung und sorgte mit einer fahrigen Handbewegung für Ruhe in den unteren Gefilden seines Körpers. Danach räusperte er sich verlegen, bevor er erneut das Wort ergriff.
    »Ich würde dich auch gern wiedersehen, Madlen. Aber wenn ich dich so anschaue, bin ich fast sicher, dass ich nicht der Einzige bin, mit dem du dich triffst. Habe ich recht?«
    »Ich habe zwar einen Verehrer, doch ich lebe allein und bin ihm nur bedingt Rechenschaft schuldig«, gestand sie frei heraus. »Er muss nichts von uns wissen.« Ohne Johns Antwort abzuwarten, kramte sie in ihrem mit Spitzen besetzten Täschchen, dessen gedrehte Seidenschnüre sie bis dahin um ihr Handgelenk geschlungen hatte. Sie zog eine fein bedruckte Karte heraus und gab John einen Wink, näher zu kommen, damit sie ihm das kleine rechteckige Stück Büttenpapier überreichen konnte. Er erhob sich rasch von seinem Stuhl und machte einen verhaltenen Schritt nach vorn, nahe genug, dass er das kleine weiße Papier vorsichtig entgegennehmen konnte, ›Mistress Madlen Eleonore MacDonald‹ stand in schöner, geschwungener Schrift darauf. Darunter befand sich eine Adresse in einer der besten Wohngegenden Edinburghs, der unteren Canongate, unweit des Holyrood-Palace, dort, wo die Misteinsammler Überstunden machten und es anders
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