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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure
Autoren: Martina André
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stotterte John und gab sofort peinlich berührt seine entspannte Haltung auf, indem er sich gerade hinsetzte und die Knie anwinkelte. Fieberhaft überlegte er, wann und wo er ihr schon einmal über den Weg gelaufen sein konnte. »Ich entstamme einem Ort in der Nähe von Loch Lochy – Blàr mac Faoltaich«, erklärte er mit rauer Stimme. »Es ist ein ziemlich kleines Nest auf dem Gebiet der Camerons of Loch Iol. Ich kann mir kaum vorstellen, dass eine Lady, wie Ihr es seid, schon einmal dort gewesen ist.«
    »Dachte ich’s mir doch.« Ihr Lächeln bezeugte Genugtuung. »Tha mo chairdean ag radh Madlen rium – meine Freunde nennen mich Madlen«, erwiderte sie in fließendem Gälisch. Ihr Lächeln geriet etwas schief und wirkte dennoch verwegen. Es entblößte ihre makellosen Zähne, und sie erschien John damit noch begehrenswerter.
    »Du bist Iain, jedenfalls nanntest du dich früher so, der älteste Sohn des alten Dhonnchaidh Camranach, einem Clansmann des jungen Eoghainn Camshrōn nan Loch Iol … stimmt’s?«
    Wenn sie John hatte verblüffen wollen, so war ihr das gelungen. Die schöne Fremde wusste weit mehr über ihn als die meisten Menschen, mit denen er in dieser Stadt zu tun hatte. Dumm nur, dass er gar nichts über
sie
wusste.
    »Und Ihr?« John entschied sich, zunächst bei einer höflich distanzierten Anrede zu bleiben. Immerhin war sie eine Lady und er nur ein einfacher Dockarbeiter. »Wo seid Ihr ursprünglich beheimatet?«
    »Nicht weit davon entfernt. Glencoe. Meine Leute gehörten zum dort ansässigen Clan MacDhomhnaill.«
    »Gehörten?« John sah sie prüfend an. Glencoe lag vom Haus seines Vaters nur ein paar Meilen entfernt. Eingehend betrachtete er ihre harmonischen Gesichtszüge, doch er konnte sich beim besten Willen nicht an dieses Mädchen erinnern. »Was ist mit ihnen geschehen?«
    »Nichts.« Sie lächelte unfroh. »Es geht ihnen gut, soweit ich weiß. Mit der einen Ausnahme, dass ich das Ehrgefühl meines Vaters verletzt habe, indem ich mich weigerte, den Mann zu heiraten, den er für mich auserwählt hatte. Daraufhin glaubte er mich aus der Familie verstoßen zu müssen.«
    John verwunderte ihre unvermittelte Offenheit. Sie machte es ihm leicht, nicht weniger offen zu sein. »Dann haben wir mehr gemeinsam als gedacht. Selbst wenn ich mich beim besten Willen nicht an Euer Gesicht erinnern kann. Auch ich habe mich gegen den Willen meines Vaters gestellt und musste meine Heimat verlassen.« Immer noch suchte er nach Spuren. Ihre blauen Augen und ihr dunkles, fast schwarzes Haar waren typisch für den Clan der MacDonalds, ganz gleich, welchem Zweig der Familie sie angehörten. Dazu das puppenhafte Gesicht und der porzellanfarbige Teint einer Adligen. Nein, bei allen Heiligen, die Begegnung mit einer solchen Frau wäre ihm gewiss nicht entgangen.
    »Woher kommt es, dass ich mich so gar nicht an Euch erinnern kann?« John fühlte sich unwohl. Vielleicht wusste sie weit mehr über seine Vergangenheit, als ihm lieb sein konnte.
    »Du darfst mich ruhig Madlen nennen«, erwiderte sie keck. »Soweit ich mich erinnern kann, waren unsere Väter geschäftlich verbunden. Es gab da einen großen schlaksigen Kerl mit zimtbraunen Haaren«, fuhr sie mit einem betörenden Augenaufschlag fort, »der eines Tages in Begleitung seines Vaters auf unserem Hof erschien. Dein Vater hat mit Vieh und Waffen gehandelt, und du bist mir sofort aufgefallen. Von dem Tag an, als ich dich das erste Mal gesehen habe, musste ich immer an dich denken. Bei unserem Hufschmied konnte ich in Erfahrung bringen, dass mein junges Herz für Duncan Camerons ältesten Sohn Iain entflammt war.« Sie schmunzelte leise. »Fortan habe ich jedem aufgelauert, der unser Anwesen besuchte, in der Hoffnung, dich endlich wiederzusehen. Aber du hast mich nie bemerkt, und ich habe mich nicht getraut, dich anzusprechen. Vielleicht lag es daran, dass ich als junges Mädchen ausgesprochen hässlich gewesen sein soll. Dürr, pickelig und mit einer Zahnlücke, die so groß war, dass man einen dicken Strohhalm dazwischenstecken konnte. Jedenfalls behaupteten das meine Brüder. Später erzählte man sich unter den Männern, du seist mit dem Marquess of Montrose in den Krieg gezogen. Ich erinnere mich, wie mein Vater prahlte, ihr hättet im August vierundvierzig die Armee der Covenanters unter Lord Elcho bei Tippermuir geschlagen.«
    »Aye«, gab John zögernd zu. »Aber das ist lange vorbei, und Montrose ist keine gute Empfehlung mehr, wenn du verstehst,
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