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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel
Autoren: Richard Dübell
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den Monaten war Prior Martin unwirsch gewesen; nicht ein einziges Mal, seit er das tagelange Warten zweier junger Burschen namens Pavel und Petr (dessen wahrer Name über seinen Spitznamen Buh selbst bei Pavel in Vergessenheit geraten schien) vor dem Braunauer Klostertor damit belohnt hatte, dass er sie als Postulanten in die Klostergemeinschaft aufgenommen und ihnen zuletzt die Kutte der Novizen ausgehändigt hatte. Obwohl Buh meistens so arg stotterte, dass seine eigene Mutter ihn nicht verstanden hätte, und obwohl Pavel das Verständnis der Benediktinischen Regeln solche Mühe bereitete, dass er sie sich ständig vorsagen musste, um sie nicht durcheinanderzubringen. Doch heute, in dieser Situation, jagte der Gedanke, dass Prior Martin ihn und Buh zu sprechen wünschte, Pavel Angst ein. Vielleicht würde der Vater Superior ihnen eröffnen, dass angesichts der Umstände kein Platz mehr für sie im Kloster war? Pavel ahnte, dass Buh es nicht ertragen würde, auch diese letzte Heimat zu verlieren; von sich selbst wusste er es. Er nahm sich vor, zur Not auf den Knien zu flehen, wenn es zu dieser schrecklichen Entwicklung kommen würde; und war gleichzeitig mit sich selbst uneins, ob dies nicht ein Zeichen von Ungehorsam wäre und Prior Martin noch mehr in Verlegenheit bringen würde. Und war es nicht ein Zeichen sündiger Selbstsucht, diese Gedanken überhaupt zu denken, nach allem, was heute im Klosterhof geschehen war? Er nahm Buh, der wie stets an seiner Seite stand wie ein Bulle neben seinem Hütebuben, an der Hand und trat beiseite.
    Schließlich hatten sie die Kirche für sich: Prior Martin, Bruder Tomáš, Pavel und Buh. Buh hielt sich hinter dem Rücken seines Freundes in dem vollkommen hoffnungslosen Versuch, sich dort zu verstecken; er war zwei Köpfe größer und fast doppelt so breit wie der magere kleine Pavel.
    »Du hättest nie diese protestantischen Weiber in unsere Klause lassen dürfen, Vater Superior«, sagte Bruder Tomáš.
    »Ich hätte mich nie darauf verlassen dürfen, dass die Pflicht des Kustoden einen Mann nicht irgendwann einmal zerbrechen würde«, erwiderte der Prior.
    »Diese Aufgabe ist Gott ein Gräuel.«
    Der Prior starrte Bruder Tomáš in die Augen. Nach einem Moment des stummen Zweikampfs senkte der alte Mann den Blick.
    »Die Aufgabe, die Welt vor dem Wort Luzifers zu schützen?«, sagte Prior Martin. »Gibt es ein wichtigeres Werk, das ein gläubiger Christ und Bruder in benedicto verrichten kann? Die Morde mögen auf mich kommen, aber die Seelen der beiden toten Kustoden werden von Gott dem Herrn erkannt werden, ganz gleich, was einer von ihnen heute an Grauenvollem getan hat. Der Verderber hat seine Schritte gelenkt, nicht er selbst.«
    »Wir sollten es verbrennen«, murmelte Bruder Tomáš. »Du weißt, was ich von diesem … Ding halte. In aller Demut, Vater Superior: Was den Glauben bedroht, muss im Feuer geläutert werden.«
    »Wenn es sein Geschick gewesen wäre, verbrannt zu werden, dann hätten es unsere Vorgänger schon vor vierhundert Jahren dem Feuer übergeben. Gottes Wege sind wunderbar; indem er zugelassen hat, dass das Wort des Teufels in die Welt kommt, will er uns zeigen, dass es die Aufgabe der Menschen ist, Luzifers Werk zu stören. Wir haben die Wahl zwischen dem Guten und Bösen; da sieht Gott es auch als unsere Arbeit an, uns selbst vor dem Bösen zu schützen.«
    Bruder Tomáš schwieg. Pavel versuchte nicht zu atmen und nicht zu denken, doch sein Hirn drehte sich im Kreis. Er verstand nur eines, aber das hatte er schon gewusst, kaum dass ihm das besondere Geheimnis dieser sterbenden Klostergemeinschaft klar geworden war: es gab keine wichtigere Aufgabe für einen Benediktiner als die, welche die schwarzen Mönche in den Gewölben unterhalb des Klosterbaus verrichteten.
    »Werden die Brüder schweigen?«, fragte der Prior.
    »Die Brüder werden gehorchen, Vater Superior.« Bruder Tomáš’ Stimme hörte sich feindselig an.
    »Und falls etwas davon nach draußen in das Dorf gelangt?«
    »Schweigen überall«, sagte der Torhüter.
    »Regula Sancti Benedicti, Caput VI« , sagte Prior Martin.
    »Das hat der heilige Benedikt nicht damit gemeint!«
    »Regula Sancti Benedicti, Caput V: De oboedientia« , sagte Prior Martin und lächelte freudlos.
    Bruder Tomáš’ Miene gefror. »Gehorsam«, flüsterte er. »Ich kenne die Regel, Vater Superior.«
    Der Prior wandte sich abrupt ab. Pavel sah ihn erschrocken an, als er einen Schritt auf ihn zutrat.
    »Du hast
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