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Die Tänzer von Arun

Titel: Die Tänzer von Arun
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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Kerris in den Fenstern Gesichter auftauchen, die ihn angafften. Auch die Wachen auf den Wehrgängen beobachteten ihn neugierig.
    Beide Türflügel waren zurückgeschlagen, Sonnenlicht durchflutete die Halle. Die Chearis standen am anderen Ende, nahe beim Tisch des Kommandanten. Der Waffenmeister, Temeth, ein stiller Mann mit kantigem Gesicht, den Kerris nur vom Sehen kannte, stand an Morvens Seite.
    Kerris verneigte sich vor seinem Onkel. »Ihr habt mich rufen lassen, Herr?«
    Die Sonnenhelle, die von den uralten Wandteppichen zurückgestrahlt wurde, schien auf Kel zuzufluten. Die übrigen Chearis bildeten hinter ihm einen Halbkreis.
    »Ja«, sagte Morven und rieb sich die Hände. Kerris hatte ihn diese Geste nie zuvor machen sehen. »Komm her, Junge!« Er nannte ihn sonst niemals »Junge«. »Es ist mir eine große Freude, dich deinem älteren Bruder vorstellen zu können. Hier ist er«, sagte er zu Kel.
    Merkwürdig, dachte Kerris, bei all den vielen Malen, bei denen ich sein Denken mit ihm geteilt habe, habe ich niemals sein Gesicht gesehen ...
    »Du bist gewachsen, seit ich dich das letztemal sah«, sagte Kel.
    Seine Stimme klang tiefer und melodiöser, als Kerris sie sich vorgestellt hatte. Die Augen waren grau. Und er war größer als Kerris, größer als Morven.
    Kerris sagte: »Damals war ich ja auch noch jünger.«
    »Du warst ein Baby.« Kel streckte die Hand aus. »Ich habe lange gebraucht, hierher in den Norden zu kommen, aber ich hatte es stets vor«, sagte er. »Ich bin gekommen, um dich mit in den Süden zu nehmen, wenn du bereit bist mitzukommen. Willst du?«
    Kerris Atem ging stoßweise in seiner Kehle. Er befeuchtete sich die Lippen mit der Zunge und schaute Morven an. »Herr, habe ich Eure Erlaubnis zu gehen?«
    Morven strich glättend über den bestickten Kragen seines Hemdes. »Du bist kein Kind mehr. Es wird natürlich ärgerlich sein, wenn du fort bist. Es könnte schwer werden, einen Ersatzmann für dich zu finden – wir werden uns wohl an die Schreibergilde wenden müssen und um einen Gehilfen bitten ...« Er blickte Kel kurz an, holte Luft. »Doch ein Bruder ist dem Herzen näher als ein Onkel. Natürlich lasse ich dich gehen.«
    Kel vollführte mit der ausgestreckten Hand eine Drehbewegung. Kerris erschrak, als plötzlich Riniard an seiner Seite stand. »Wenn du nichts gegen meine Gesellschaft einzuwenden hast, helfe ich dir packen«, sagte Riniard.
    »Jetzt gleich?« fragte Kerris.
    »Jetzt gleich!« sagte der Cheari.
    Kel zu verlassen, das war wie die Sonne zurücklassen. Benommen ging Kerris voran, über den Burghof zu den Stufen zum Turm. Josen befand sich nicht in dem kleinen Turmgemach. Kerris fragte sich, ob er vielleicht noch auf der Mauerbrüstung weilte.
    Riniard streifte die zwei Betten und den Langtisch mit einem Blick. »Du lebst also hier?« fragte er.
    »Ja. Ich bin ein Schreiber.«
    Riniard strich durch den Raum wie ein Fuchs in einem Käfig. Er klopfte mit der Faust gegen den gußeisernen Fensterrahmen. »Hier drin würde ich verrückt werden«, sagte er fröhlich. »Welches ist dein Bett?«
    Kerris wies es ihm. Riniard zog die Wolldecke von dem Leinenlaken. Er kniete sich auf den Boden und faltete sie einmal längs zusammen. »Nimm einen warmen Mantel mit!« befahl er. »Kleider, Zunderbüchse und Flintsteine, und was du an Geschmeide mitnehmen willst ...«
    Kerris' Mantel lag in der Zedernholztruhe unter den Fenstern. Er holte ihn. Der vertraute Duft des Zedernholzstaubes schmerzte ihn in der Kehle. Er stützte den schweren Deckel mit der Schulter und wühlte in den Kleidern in der Truhe. Er zog ein zweites Leinenhemd heraus, eine Wolltunika, die Paula für ihn gemacht hatte, seinen Schafpelzmantel und sein Reitleder. Das rostfarbene Lederzeug war steif, weil es so lange nicht benutzt worden war. »Zieht ihr bald fort?« fragte er, als er die Tunika und die anderen Kleidungsstücke zu Riniard hinüberbrachte.
    Riniard schüttelte den Mantel aus und rollte ihn fest in die Decke ein. »Sofort«, sagte er.
    »Aber ihr werdet doch noch bleiben und – tanzen?«
    »Nein«, sagte der Rotschopf. Er klopfte eine Falte in der Decke glatt. »Der Tag ist jung, und wir müssen eine Strecke hinter uns bringen. Sefer wartet in Elath, und Kel hat es eilig.« Er rollte die Decke zu einer festen Wurst zusammen. »Hast du eine Schnur?« Kerris suchte und fand einen Lederriemen. Riniard verschnürte die Deckenrolle. Er nahm sie unter den Arm und stand auf. »Das da ziehst du besser auch
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