Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tänzer von Arun

Titel: Die Tänzer von Arun
Autoren: Elizabeth A. Lynn
Vom Netzwerk:
beizubringen versuchte. Ganz zu schweigen davon, aus dir einen Cheari machen zu wollen. Sohn meines Bruders bist und bleibst du, und ein Heim wird hier immer für dich bereit sein um seinetwillen. Doch mehr als dies ...« – er schaute auf Kerris' rechte Schulter, auf den leeren hängenden Ärmel – »liegt nicht im Bereich deiner Möglichkeiten.«
    Es war Morvens Idee gewesen, Kerris zum Schüler Josens zu bestimmen. Die Idee war gut gewesen, dachte Kerris. So habe ich mir eine Stellung schaffen können.
    Ganz tief in seinem Kopf machte eine Stimme – seine eigene – Fußnoten zu diesem Gedanken. Es war ein Stellung, wie er sie besser niemals würde erlangen können. Er hatte die Feste lieben gelernt – und die Berge hinter der Burg, die aufragten wie das Rückgrat der Erde. Er liebte das Land im Sommer; er liebte die Steppe, von Winden durchfegt und voll dichten honigfarbenen Grases. Aber es war ziemlich unwahrscheinlich, daß sich ihm jemals die Möglichkeit bieten würde, von hier fortzugehen. Darum war es auch ganz gut, daß er sich hier wohl fühlte.
    Er klopfte Josen sanft auf die Schulter. »Komm, alter Mann, kehren wir an unsere Arbeit zurück!«
    »Alter Mann, also wirklich!« Josen spielte den Entrüsteten. »Ist das die Ehrerbietung, die du deinem Lehrer entgegenbringst? Sprich höflich über mich, oder ich werde dir deine Feder nicht reparieren.«
    Kerris lächelte ihn an. »Jawohl, Herr, erflehe eure Vergebung, Herr!« sagte er plappernd.
    »Ich brauche neue Tinte. Dringend!« Josen gab das Spiel auf. »Zum Henker mit diesen Händlern!«
     
    In dieser Nacht begab sich Kerris zum Schlafen nicht in die Mannschaftsquartiere.
    Josen vermied es, wie üblich, zu frühstücken. Er fand Essen vor der Mittagszeit unanständig. Kerris wartete ab, bis er sicher sein konnte, daß »das Ei« in seinen Räumen verschwunden war, ehe er durch den Küchenvorhang schlüpfte.
    Paula saß neben der Feuerstelle. Er küßte sie auf den Scheitel. Rosa schimmerte die Kopfhaut durch das spärliche graue Gelock.
    »Hm.« Ihre Finger lagen rot und geschwollen um ihren Becher.
    »Guten Morgen.«
    »Ist es ein guter?«
    »Es ist heut wärmer als gestern«, sagte er. »Du solltest es mal probieren.«
    »Hah!« Die mürrische Silbe verriet deutlich, wie tief sie dem schwächlichen Versuch des Nordens mißtraute, einen Frühling zu produzieren. »Wo gehst du hin?«
    »Ins Hühnergehege. Ich brauche Federkiele.« Er blieb noch stehen, um ihr zu zeigen, daß es ihm gutgehe. »Ich komm dann später noch vorbei.« Er drängte sich durch die Spülküche hinaus. Während er zum Hühnerfreilauf hinüberging, drang Musik an sein Ohr. Er blickte nach oben. Idrith spielte auf seiner Flöte. Die anderen Wachtposten hörten ihm stumm zu. Die weichen Triller schwebten zwischen den Mauern durch den Hof. Kerris seufzte. Früher einmal hatte er geglaubt, er würde lernen können, wie man Musik macht. Aber er hatte kaum Stimme – und es gab kein Musikinstrument, das ihm je unter die Augen gekommen wäre oder von dem er gehört hätte, das man einhändig spielen konnte.
    Der Freilauf roch wie eine Wiese. Die Hühner beachteten ihn überhaupt nicht, doch der Hahn an seiner Leine beäugte Kerris argwöhnisch, als dieser nach Federn zu jagen begann.
    »Ganz ruhig«, sagte Kerris zu dem helläugigen Tier. »Ich bin nicht hinter deinen Weibern her.« Er fand drei weiße Schwungfedern und die graue Schwanzfeder einer Gans, die ebenfalls brauchbar sein würde. Er brachte sie Josen. Aus einem Haufen von Papieren auf dem Tisch grub der alte Mann sein Federmesser aus: ein kleines scharfes Messerchen mit nur einer Schneide. Der Bronzegriff war wie ein Ziegenkopf geformt.
    Mit kurzen geschickten Schnitten formte der alte Mann den Kiel. »Wie ist das Wetter?« fragte er.
    »Wärmer als gestern.«
    »Kein Zeichen von den Händlern?«
    Kerris schüttelte den Kopf.
    Josen brummelte in sich hinein. Er hielt die Kielspitze ins Licht und starrte sie finster an, als wäre sie einer der Händler. »Ich habe nachgedacht«, sagte er schließlich.
    »Ja?«
    »Über einen Brief, den ich vielleicht schreiben werde. An den Gildemeister der Schreiber zu Kendra-im-Delta. Das würde sich ungefähr so lesen: Geehrter Herr, dies schreibe ich Euch, um einen jungen Gehilfen vorzustellen, dessen Name Kerris lautet und der ein Neffe von Morven ist, des Herrn von Tornor Keep. Er war mein Schüler und wurde mein Kollege, sozusagen, für den Zeitraum von zwei Jahren. Und so weiter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher