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Die Suessen Kleinen

Die Suessen Kleinen

Titel: Die Suessen Kleinen
Autoren: Ephraim Kishon
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ihn gern isst oder nicht! Brave Kinder müssen Spinat essen. Also keine Widerrede!«
    »Warum müssen sie?«
    »Weil sie sonst in die Ecke gestellt werden, bis Papi nach Hause kommt. Und was dann passiert, kannst du dir denken. Also, iss deinen Spinat schön auf. Na, wird’s bald?«
    »Ich mag nicht!«
    Es war die natürliche Reaktion des kindlichen Gemüts auf einen unverständlichen Zwang. Damit hatte ich meine Mutter genau dort, wo sie mich haben wollte. Und als mein Vater nach Hause kam, fand er sie in Tränen aufgelöst.
    »Siehst du?«, schluchzte sie. »Hab ich dir nicht immer gesagt, du verwöhnst ihn zu sehr?«
    Mein Vater versetzte mir daraufhin ein paar schallende Ohrfeigen, und wir hatten endlich ein normales Familienleben.
    Ich hasste Spinat wie alle anderen Kinder, und meine Eltern waren beruhigt.

Wozu der Lärm?
    Mit Wehmut erinnere ich mich an meinen verstorbenen Vater. Das Erste, was er tat, wenn er aus dem Büro nach Hause kam: Er stellte das Radio ab. Das waren Zeiten. Heute verhält es sich umgekehrt. Wenn das Haupt unserer Familie, mein Sohn Amir, aus der Schule nach Hause kommt, dreht er alle lärmerzeugenden Apparate an, die ihm unter die Hand kommen, das Radio, den Plattenspieler, das Fernsehen, den elektrischen Mixer – gleichgültig, was es ist, Hauptsache, dass es lärmt. Die junge Generation liebt den Lärm. Je lauter, desto besser. Verlässlichen Berichten zufolge wächst die Zahl der Eltern, die nur noch mit Watte in den Ohren herumgehen, ständig an.
    Manchmal entdecke ich beim Betreten meines Arbeitszimmers, dass sämtliche Kugelschreiber und Bleistifte vom Schreibtisch auf den Boden gerollt sind. Dann weiß ich, dass Amir die neueste »Rolling Stones«-Platte gespielt hat, mit der Lautstärke einer Concorde-Maschine. Die Concorde ist bekanntlich jener Flugzeugtyp, dem ebendarum, der Lautstärke wegen, in New York die Landeerlaubnis verweigert wurde.
    Ebenso vielversprechend entwickelt sich Renana, unsere Jüngste. Wenn sie ihre Lieblingsplatten abspielt, klirren die Fensterscheiben, Gemälde fallen von den Wänden, und vergangene Woche bewirkte der Luftdruck eines von ihr veranstalteten »Elvis Presley« Revivals, dass der Kühlschrank aufging und sich entfrostete.
    Mein Nachbar Felix Selig hat in seiner Wohnung ganz ähnliche Wirkungen einer »Rolling Stones« Platte festgestellt. Als die Decke einstürzte, blickten seine Zwillingssöhne nicht einmal auf. Ungerührt hockten sie in der Ruine und lauschten ihren Idolen.
    »Damals«, so erzählte mir Felix, »verlor ich die Geduld und begann zu brüllen. ›Zum Teufel, könnt ihr diese Stones nicht etwas leiser spielen?‹ brüllte ich.«
    »Bravo! Und was sagten die Zwillinge?«
    »Nichts. Sie hatten mich gar nicht gehört.«
    Auch ich rebellierte einmal gegen den Höllenlärm ringsum. Wütend betrat ich das Kinderzimmer, ging direkt auf Amir zu und schrie ihn an: »Genug! Aufhören! Ruhe!«
    Amir, mein bekanntlich rothaariger Sohn, drehte den Apparat auf eine etwas höhere Lautstärke.
    Ich nahm Papier und Bleistift zur Hand.
    »Schluss mit dem Krach!«, schrieb ich.
    »Mit welchem Krach?«, schrieb Amir zurück.
    Sie sind ganz anders geartet als wir, unsere Kinder. Vielleicht sind sie schon mit verdicktem Trommelfell zur Welt gekommen. Vielleicht besitzen sie eine uns verschlossene Empfänglichkeit für Klangeffekte. Denn es ist nicht etwa die Musik, die sie fasziniert. Es ist der schiere, der lautere Lärm. Sie können, ich habe es bei meinen drei Sprösslingen oft genug beobachtet, stundenlang einer in der Rille steckengebliebenen Nadel zuhören: Abani – bani – bani – bani … Am wohlsten fühlen sie sich bei einer Kombination von Radio plus Fernsehen plus Elvis plus Trommeln der Fäuste auf den Tisch.
    Eine Vorahnung davon findet sich schon im Alten Testament. »Wahrlich«, heißt es bei Jeremias (X,22), »wahrlich, es ist ein großes Lärmen über uns gekommen und ein großer Aufruhr, und die Städte Judas werden verwaist sein und die Wohnungen Israels werden gleichen den Drachenhöhlen.« Und das war vor Erfindung des Stereo.
    Gestern ist uns unsere Katze entlaufen. Es geschah, als Rafi, mein Ältester, die Band Pink Floyd entdeckte. Angeblich wimmelt es in der Stadt von tauben Katzen. Wenn Renana »Abba« sagt, was hebräisch so viel wie »Papa« bedeutet, meint sie das gleichnamige schwedische Combo-Quartett, nicht mich. Mich meint sie überhaupt nicht mehr. Keines meiner Kinder nimmt noch irgendeine Notiz von mir.
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