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Die Suessen Kleinen

Die Suessen Kleinen

Titel: Die Suessen Kleinen
Autoren: Ephraim Kishon
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und blickten verzweifelt hinaus. Was sahen wir? In der Wohnung unseres Drogisten gegenüber war das Hausmädchen gerade damit beschäftigt, die Fenster zu putzen.
    »So ein Gauner!«, rief Latifa empört. »Erst gestern hat er eine Feuerversicherung abgeschlossen!«
    Donnerstagnachmittag ersuchten wir Latifa, die Vorhänge abzunehmen. Sie taumelte, als hätte sie der Blitz getroffen, und brachte nur noch ein Flüstern zustande. »Was?«, flüsterte sie. »Was? Die Vorhänge abnehmen? Im Kislew? Sind Sie verrückt? Damit der kleine Rafi krank wird?!«
    Diesmal waren wir entschlossen, nicht nachzugeben. Außerdem gebe es um die Ecke einen Doktor. Latifa wiederholte, dass sie eine so verbrecherische Handlung wie das Abnehmen von Vorhängen im Monat Kislew nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren könne. Wir versicherten, die volle Verantwortung für alle etwa eintretenden Folgen zu übernehmen.
    »Schön«, sagte Latifa. »Kann ich das schriftlich haben?«
    Ich setzte mich an den Schreibtisch und fertigte eine eidesstattliche Erklärung aus, dass uns Frau Latifa Kudurudi für den Fall einer Vorhangabnahme vor einer Erkrankung unseres Söhnchens gewarnt hätte, aber von uns gezwungen worden wäre, die Vorhänge auf unsere Verantwortung abzunehmen.
    Latifa nahm die Vorhänge ab.
    Am Abend klagte der kleine Rafi über Kopfschmerzen. In der Nacht bekam er Fieber. Am Morgen zeigte das Thermometer vierzig Grad. Latifa sah uns vorwurfsvoll an und zuckte die Schultern. Meine Frau lief zum Doktor, der bei Rafi eine Grippe feststellte.
    »Aber wie ist das nur möglich?«, schluchzte meine Frau. »Wir passen doch so gut auf ihn auf. Warum bekommt er plötzlich eine Grippe?«
    »Warum?«, kam Latifas Stimme aus dem Hintergrund des Zimmers. »Ich werde Ihnen sagen, warum! Weil ich die Vorhänge abnehmen musste.«
    »Was?« Der Doktor wandte sich um. »Was sagen Sie?«
    »Jawohl«, sagte Latifa. »Die Vorhänge. Hat schon jemals ein vernünftiger Mensch im Kislew die Vorhänge abgenommen, wenn ein kleines Kind im Haus ist?«
    »Das Mädchen hat vollkommen recht«, sagte der Doktor. »Wie können Sie bei diesem unfreundlichen, nasskalten Wetter die Vorhänge abnehmen? Kein Wunder, dass der Kleine sich erkältet hat. Ich muss schon sagen, dass mich Ihr Vorgehen sehr überrascht.«
    Latifa zeigte dem Arzt wortlos das von mir ausgestellte Zeugnis und begab sich ebenso wortlos in die Küche.
    Seither richten wir uns widerspruchslos nach Latifas Entscheidungen. Soviel wir bisher feststellen konnten, darf am Sonntag keine Wäsche gewaschen werden, weil sonst eine Überschwemmung ansteht, und das Polieren von Türklinken vor Frühlingsbeginn hat unfehlbar eine Schlangenplage zur Folge.
    Im Übrigen erklärte Latifa, dass die Wohnung siebenundzwanzig Tage lang nicht aufgeräumt werden dürfte, wenn Rafi gesund werden soll. Am nächsten Morgen betrat sie das Zimmer, setzte sich in den Lehnstuhl und verlangte nach den Zeitungen.
    Die Misswirtschaft in unserer Wohnung nimmt katastrophale Ausmaße an. Aber ich muss zugeben, dass Rafi nicht mehr hustet.

Im Supermarkt
    Ich persönlich bin kein Freund von Supermärkten, vor allem deshalb, weil ich mir da drinnen immer vorkomme, als würde ich einen Kinderwagen schieben, eine Tätigkeit, die nicht unbedingt meiner Lebensphilosophie entspricht. Außerdem habe ich bis heute ein Trauma von der frenetischen Kaufhysterie, die in meiner Familie ausbrach, als der erste Supermarkt in unserer Gegend eröffnet wurde.
    Gleich am Eingang herrschte lebensgefährliches Gedränge. Wir wurden zusammengepresst wie – tatsächlich, da waren sie auch schon: »Sardinen!«, rief meine Frau in schrillem Entzücken und machte einen sehenswerten Panthersatz direkt an den strategisch aufgestellten Verkaufstisch, rund um den sich bereits zahllose Hausfrauen mit Zähnen und Klauen rauften. Die aufgestapelten Sardinenbüchsen hätten zu einer kleinen Weltreise inspirieren können: Es gab französische, spanische, portugiesische, italienische, jugoslawische, albanische, zypriotische und heimische Sardinen, es gab Sardinen in Öl, in Tomatensauce, in Weinsauce und in Joghurt.
    Meine Frau entschied sich für norwegische Sardinen und nahm noch zwei Dosen von ungewisser Herkunft dazu.
    »Hier ist alles so viel billiger«, sagte sie.
    »Aber wir haben doch kein Geld mitgenommen.«
    »In meiner Handtasche war zufällig noch ein bisschen.«
    Und damit ergriff sie eines dieser handlichen Einkaufsgestelle auf Rädern und legte die elf
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