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Die Süße Des Lebens

Die Süße Des Lebens

Titel: Die Süße Des Lebens
Autoren: Paulus Hochgatterer
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alter Bauernkeuschen, dahinter beginnt der Wald.
    Björn nimmt die rechte der beiden Reifenfurchen. Er steht in den Pedalen auf und plagt sich sichtlich. Es liegt am groben Profil der Spur. Noch ist der Schnee hart und kalt.
    Er läuft jetzt ganz langsam. In manchen Passagen rutschen die Sohlen trotzdem durch.
    An einer Stelle, an der der Weg verschüttet ist, steigt Björn vom Rad und legt es am Rand ab. Er klettert über den Schneehaufen, der quer über dem Weg liegt und geht zu Fuß weiter. Er wendet sich dabei nicht um. Er wirkt hektisch.
    Er sieht Björn auf dem Friedhof stehen, zwischen der zweiten und dritten Zypresse von rechts. Als der alte Mann unter der Erde ist und alle den Friedhof verlassen, geht er auf die nördliche Mauer zu. Björn läuft nicht davon. Er fragt ihn, was los ist, und Björn antwortet, eigentlich nichts, außer dass Daniel wieder da ist. Er ist der Imperator von allen und er erzählt verschiedene Dinge, aus denen man lernen kann. Unter anderem sagt er: Drinnen ist alles relativ. Zum Beispiel ist es bei weitem besser, du wirst von einem Stück Stahl oder Gummi in den Arsch gefickt, als sie tun es mit ihren eigenen Dingern. So etwas weiß man vorher nicht.
    Where black is the color, where none is the number.
    Das Rad gehört Leo. Er hat es beim letzten Nachmittagsausflug dabeigehabt.
    Er übersteigt den Schneehaufen. Sein Sohn hat vielleicht auch schon ein Fahrrad, knallblau oder silber mit einem rotbraunen Fuchs drauf. Stützräder – mit fünf braucht man die noch.
    Drüben laufen die Reifenspuren einfach weiter.
    Es wird einen Zeitpunkt geben, da wird er ihm die Stützräder abmontiert haben und er wird ihn hinten am Sattelrand halten und einige Schritte mitlaufen und dann wird er ihn loslassen und er wird ein Stück allein fahren und völlig erstaunt sein.
    Björn steigt zügig die Serpentinen empor, die der Güterweg beschreibt. Er hat etwas um die Schultern gelegt, das aus der Entfernung aussieht wie ein schwarzer Mantel.
    Er lässt eineinhalb Kehren Abstand. Er geht in mittelgroßen Schritten. Wenn er sich zur Seite wendet, überblickt er die ganze Stadt. Der Rauch aus dem Schlot des Holzwerkes steigt noch senkrecht auf. Manchmal gelingt es ihm, exakt den Moment zu erfassen, in dem das Wetter umschlägt. Das ist dann, als blicke man in die größtmögliche Klarheit hinein, und wenn man ein zweites Mal hinschaut, hat alles schon einen gelben Stich.
    Es sind insgesamt elf Kehren. Danach legt sich der Hang zurück und der Weg verläuft in einem flachen Bogen nach Südwesten. Die Stämme der Lärchen und Kiefern treten auseinander. Die Sonne schneidet flirrende Dreiecke in den Wald.
    Björn verlässt die Spur und bewegt sich in alten Fußstapfen nach links zu den Bienenkästen hinüber. Er schreitet die Reihe ab, als müsse er etwas kontrollieren. An ihrem Ende bleibt er stehen und legt für eine Sekunde die Hand auf das Flugdach. Er wendet sich um neunzig Grad, quert in die Spur zurück und geht langsam auf den Schuppen zu. Er trägt ein Darth-Vader-Kostüm, das ist jetzt gut zu sehen.
    Where black is the color, where none is the number.
    Die Firstlinie des Schuppens hängt in der Mitte beträchtlich durch. Die Schindeldeckung ist an mehreren Stellen kürzlich ausgebessert worden.
    Björn tritt an das Tor des Schuppens heran und untersucht es. Schließlich legt er den Drehriegel um und zieht es mit beiden Händen ein Stück auf.
    Er nähert sich in klaren gleichmäßigen Schritten. Björn dreht sich nicht um, obwohl er ihn ohne Zweifel kommen hört.
    Er steht neben ihm und beide starren sie ins Innere des Schuppens. Er kennt sich nicht aus. Ein Ding wie die Spitze eines Kranarmes ragt schräg aus dem Dunkel. Ganz oben klebt drohend etwas Schwarzes. Björn hat die Darth-Vader-Maske vorm Gesicht und atmet fauchend.
    Who did you meet, my blue-eyed son?
    Er öffnet das Tor zur Gänze. Jetzt wird die Sache klarer. Im Schuppen steht, das Heck zum Tor, ein alter Abschleppwagen. Gelbe Lackreste dort und da, abgefahrene Reifen mit einem groben Profil. Hinten auf der Plattform ein Schwenkarm, an seinem Fuß eine Stahlseilwinde, an seiner Spitze die Umlenkrolle. Unmittelbar unter ihr, etwa eineinhalb Meter über ihren Köpfen, hängt an einer starken, aufgeschweißten Öse ein mittelgroßer Amboss. Wie frisch aus einer Schmiede, denkt er.
    Björn stellt den Rucksack ab, öffnet ihn und packt Maske und Umhang hinein. Er wirkt jetzt ruhiger.
    Es wird demnächst wärmer werden, denkt er. Für
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