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Die Süße Des Lebens

Die Süße Des Lebens

Titel: Die Süße Des Lebens
Autoren: Paulus Hochgatterer
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Mann plötzlich im Zimmer steht und du merkst an seinem Gehabe und an seinem Tonfall und an seinem Ausdruck im Gesicht, wie absolut sicher er ist, dass seine Frau in der Zwischenzeit nichts verraten hat.«
    Kovacs hatte die ständig etwas geduckte Haltung dieser Frau vor Augen und ihr eigenartig strohiges Haar und er dachte, dass wohl manchmal das Ausmaß der Bedrohung die einzige relevante Richtgröße im Leben war. Er fühlte sich elend.
    Sabine Wieck schaute zu Lipp hinüber. »Und dann habe ich einen Fehler gemacht«, sagte sie. Man sah, wie ihr die Tränen wieder in die Augen stiegen. Alle warteten. Demski kratzte Zucker vom Grund seiner Kaffeetasse. Sie habe Florian überredet, ins Spital zu fahren, sagte Sabine Wieck. Sie seien auf U 14, die Unfallstation, gegangen, hätten ihre Ausweise vorgezeigt und gesagt, sie müssten Birgit Schmidinger etwas fragen. Die Stationsschwester habe zwar gezögert und gemeint, sie wisse nicht, ob das gut sei, der Vater sei nämlich erst da gewesen und das habe bei dem Mädchen zu einer ziemlichen Unruhe geführt; man habe sie schließlich aber doch vorgelassen.
    Die Kleine sei im Bett gelegen und eine ältere Schwester habe ihr aus einem Buch vorgelesen. Alles habe ganz friedlich gewirkt, bis sie gesagt habe, sie beide seien von der Polizei. Das Mädchen habe die Augen weit aufgerissen und am ganzen Körper zu zittern begonnen und ihr sei nichts Vernünftiges eingefallen, um die Lage zu entspannen. Die Schwester habe gedeutet, sie sollten wieder gehen, doch sie habe völlig blöd noch die Frage gestellt: ›Habt ihr im Garten etwas, wo deine Mutter die Wäsche aufhängt?‹ Daraufhin habe die Kleine kläglich zu schreien begonnen, die Finger in die Decke gekrallt und zwischendurch habe es ihr immer wieder einen einzigen Satz herausgestoßen: ›Es war ein blaues Auto. Es war ganz sicher ein blaues Auto.‹ Sie sei dagestanden und habe sich schuldig gefühlt und zornig zugleich und sie habe nicht gewusst, was sie tun solle, bis endlich dieser große, hagere Arzt gekommen sei, der Psychiater, wie danach klar geworden sei, und sie hinausgeschickt habe.
    »›Ein blaues Auto‹, hat sie gesagt, ›es war ein blaues Auto.‹ Sie ist fünf Jahre alt, fünf Jahre!« Sabine Wieck stand da und schluchzte.
    Kovacs ergriff seine Jacke und stand auf. »Ich muss kurz hinaus«, sagte er und, da ihn die anderen verblüfft anschauten: »Etwas organisieren.«
    Während er die Treppe hinabstieg, fiel ihm Marlene ein, die zuletzt gesagt hatte, dieser Job sei doch die totale Knochenmühle und sie finde es unverantwortlich, ihn junge, idealistische Menschen tun zu lassen. Außerdem fiel ihm Daniel Gasselik ein mit der schwarz-roten Fratze von Darth Maul direkt hinter sich und Norbert Schmidinger, wie er mit dem Fernglas auf den Balkon trat. Am Schluss dachte er wieder an den Sheriff, der Leute kannte, die um ganz wenig Geld und ein paar Zusicherungen alles taten, was man von ihnen haben wollte.
    Draußen vor dem Haupteingang wälzte sich Mauritz aus seinem silberfarbenen Renault. Er winkte Kovacs heran. »Ich war noch einmal draußen, um dieses Bienenstockdesaster abzuschließen«, sagte er, »und ich habe mit Christoph Moser gesprochen, mit dem jungen Bauern, der alles entdeckt hat. Er behauptet, er hat am Vormittag jemanden im Wald gesehen. Es passt nicht wirklich zu dem, was wir haben, aber er bleibt dabei.«
    In Ludwig Kovacs tauchte das Bild auf, wie sie damals durch den winterlichen Lärchenwald gegangen waren, die Reifenspuren entlang, und wie sie sich entspannt unterhalten hatten, und er wusste auch noch, dass er trotzdem den Eindruck nicht losgeworden war, es sei etwas offen, er kriege es aber nicht zu fassen.
    »Hat Moser den Menschen erkannt, den er dort im Wald gesehen hat?« Mauritz nickte. »Ja, aber er hat sich nicht viel dabei gedacht, hat er gesagt.«
    »Und?«
    Mauritz schlug die Autotür hinter sich zu. Er schlüpfte aus dem rechten Handschuh, bevor er zu erzählen begann. Das wirkte ein wenig komisch.

Zwanzig
    Sie sind da. Sie gehen schräg über den Parkplatz. Sie sind zu zweit und möglicherweise nehmen sie ihn mit. Genau wie damals. Es wird ihnen nichts nützen. Irgendwann wird er sie besiegen. Genau wie damals. Vielleicht bald, vielleicht in der nächsten Sternenepoche, vielleicht in der übernächsten. Er ist der Imperator. Er hat alle Zeit der Welt, ich weiß es.
    Ich esse meine Cornflakes keine Spur schneller als sonst. Sie fragen nach meinem Vater. Er ist irgendwo, sagt
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