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Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott

Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott

Titel: Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
Autoren: Cédric Bannel
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1
    »Woran dachtest du, als du abgedrückt hast?«
    »Daran, abzudrücken.«
    »War dir bewusst, dass die Gefahr bestand, nicht nur den Mann zu töten, den du ins Visier genommen hattest, sondern gleich eine ganze Familie? Die zwei Frauen von Abdul starben zusammen mit ihm. Seine acht Kinder mussten ins Krankenhaus, zwei schweben in Lebensgefahr.«
    »Abdul, dieser Dreckskerl, er wollte mir meinen gesamten Bestand an Stoffen stehlen«, versuchte sich der Gefangene zu rechtfertigen. »Achttausend Afghanis!«
    Von plötzlicher Wut erfasst, sprang Osama Kandar, Leiter der Kriminalbehörde von Kabul, auf. Der Gefangene, der mit Handschellen an den Stuhl gefesselt war, zuckte zusammen und wäre beinahe umgefallen. Osama schenkte dem keine Beachtung. Seit langem schon achtete er nicht mehr auf die Reaktionen, die seine außergewöhnliche Körpergröße hervorrief. Osama war etwas über fünfzig und maß zwei Meter. Er war mager (er wog gerade einmal neunzig Kilo) und beeindruckte mit seinem graumelierten, kurzgeschorenen Bart und dem raspelkurzen Haar. Seine metallisch grünen Augen hypnotisierten jeden Widersacher.
    »Du bist ein Vollidiot und ein Mörder! Du hast mit deiner Kalaschnikow auf eine Familie gezielt, die gerade beim Essensaß. Und das nur für ein paar Stoffballen. Ist dir wenigstens bewusst, was du angerichtet hast? Einfach nur so!«
    »Nicht einfach nur so! Wegen achttausend Afghanis!«
    Osama schüttelte angewidert den Kopf. Die meisten Morde, die in der Hauptstadt begangen wurden, geschahen mit der Kalaschnikow, oft infolge nicht beglichener Schulden oder Diebstähle, sofern es sich nicht um Ehrenmorde handelte. Die Schuldigen wollten nicht wahrhaben, dass sie am Ende der Galgen erwartete. Osama weigerte sich, noch länger mit einem derart idiotischen Gefangenen zu verhandeln, und rief einen seiner Assistenten, damit dieser das Verhör weiterführte, als plötzlich ein Polizist sein Büro betrat. Jung, mit den typischen Schlitzaugen eines Hazara. Eine große Narbe zog sich über seine linke Wange.
    »
Qoumaandaan
, wir haben Nachricht erhalten, dass der Innenminister gerade am Ort eines Selbstmordes eingetroffen ist.«
    »Ein Selbstmordattentat, meinst du?«
    »
Na
, ein echter Selbstmord.«
    Überrascht blickte Osama den Polizisten an. Die Sterberate war weltweit eine der höchsten, ständig gab es neue Todesfälle, aber Selbstmorde waren rar. Wer permanent von Attentaten bedroht war, von Gangs, von Auseinandersetzungen wegen nicht beglichener Rechnungen, Verbrechen im Familienkreis und Fatwas, die die Taliban verhängten – der verspürte keine große Neigung, sich selbst umzubringen. In Afghanistan war jeder Tag, an dem man mit heiler Haut davonkam, ein Geschenk Gottes.
    »Was macht denn der Minister dort? Weißt du, wer der Tote ist?«
    »
Na

    »Weißt du, wo das passiert ist?«
    »Bei einem Geschäftsmann, nicht weit vom Busbahnhof in Serai Shomali. Anscheinend hat er seinen Leibwächter umgebracht,bevor er sich selbst tötete. Seine Bediensteten haben ihn heute Morgen aufgefunden.«
    »Hast du seinen Namen?«
    »
Na, Qoumaandaan

    Von plötzlicher Neugier angestachelt, zog Osama eine Schublade seines bescheidenen wackeligen Schreibtischs auf und nahm ein Mobiltelefon heraus, ein Geschenk der Internationalen Schutztruppe. Wie viele seiner Landsleute ertrug er die Anwesenheit der Schutztruppe mit ihren die Lokalbevölkerung einschränkenden Vorschriften immer weniger. Doch sie war rechtmäßig hier, und die NATO-Truppen waren aufgrund eines UN-Mandats in seinem Land, mit Billigung von offizieller Seite also. Ihnen hatte er es zu verdanken, dass er über bis dahin unbekannte technische Utensilien verfügte, vor allem aber über Mittel, mit denen er seine Leute bezahlen konnte, die nicht mehr auf Bakschisch angewiesen waren, um zu überleben.
    Er steckte das Gerät in eine Tasche seines Jacketts, zog seinen
Chakman
aus grober Wolle an und setzte sein Barrett auf, denn es war für Anfang März noch ziemlich kalt. Osama kleidete sich immer auf traditionell afghanische Art, mit einem bauschigen braunen
Shalwar
, der an den Knöcheln zusammengebunden war, und der weiten Kurta, die über den Hosenbund herabhing.
    »Ich fahre hin«, erklärte er dem jungen Polizisten beim Hinausgehen.
    Auf dem Flur rief er Babrak Khan Wardak zu sich, seinen Assistenten, einen jungen Uniabsolventen mit mehreren Diplomen, der weiß der Himmel durch welchen Zufall bei der Polizei gelandet war. Wie so viele junge
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