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Die Süße Des Lebens

Die Süße Des Lebens

Titel: Die Süße Des Lebens
Autoren: Paulus Hochgatterer
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handelt.«
    Kovacs dachte an den apulischen Kopfabschneider und an die Vorstellung von Leftis Cousin mit dem Sprengstoffgurt um den Leib. Er kam sich ziemlich blöd dabei vor. Wer von uns ist kein Psycho?, dachte er und wandte sich zum Gehen. »Hast du eigentlich Wollhandschuhe?«, fragte er in der Tür. Gasselik überlegte. »Ja, hab ich«, sagte er schließlich.
    »Wie viele Paare?«
    »Ein Paar Fäustlinge. Ein Paar Handschuhe; solche mit abkippbaren Fingerspitzen.«
    »Welche Farbe?«
    »Die Fäustlinge grau, die Handschuhe rotbraun.«
    »Sehr gut. Ich danke dir.«
    Demskis Blick war verständnislos. Kovacs zog ihn auf den Gang hinaus und schloss die Tür. »Ich erklär es dir im Auto«, sagte er.
    Manuela Gasselik saß in der Küche, blätterte in einer Zeitschrift und rauchte eine Zigarette. Als sie Kovacs und Demski kommen sah, dämpfte sie aus, schloss das weiße Tuch um den Hals und erhob sich. »Hat er geredet?«, fragte sie. »Er hat geredet«, antwortete Kovacs. Der Blick der Frau flackerte. Sie tat ihm leid. »Kann Ihr Sohn eigentlich Auto fahren?«, fragte er. Sie lachte auf. »Das ist das Einzige, was ihm mein Mann beigebracht hat. Als er zehn war«, sagte sie.
    »Wie oft fährt er?«
    »Keine Ahnung. Er nimmt sich ein Auto vom Parkplatz und fährt herum. Einfach so. Keiner kontrolliert das.« Es ist ihr egal, dachte Kovacs, je weiter er wegfährt, umso froher macht es sie.
    Die Flutlichter hatte man inzwischen abgeschaltet. Der Himmel über der Montagehalle war blau mit einem Hauch von Orange. Der Mann in dem grünen Overall schaufelte Eisbrocken auf die Ladefläche eines Klein-LKW. Er fluchte dabei halblaut vor sich hin und trat mehrmals gegen das Hinterrad.
    Kovacs setzte sich in den Wagen, griff hinter sich und holte Demskis Blechente vom Rücksitz. Er ließ sie oben auf dem Armaturenbrett die Windschutzscheibe entlanghoppeln. Demski war irritiert. »Was machst du?«, fragte er. »Ich spreche mit ihr«, sagte Kovacs.
    »Und was sagt sie?«
    Kovacs starrte der Ente für eine Sekunde in ihr blindes Auge. Dann setzte er sie wieder nach hinten. »Er war es nicht«, sagte er.
    Sabine Wieck rannte im Besprechungszimmer auf und ab und heulte. Lipp stand mit einem ratlosen Ausdruck im Gesicht an der Wand und Eleonore Bitterle saß bewegungslos am Tisch, die Hände um ihre Teetasse geschlossen. Kovacs öffnete den Zipp seiner Jacke. »Was ist passiert?«, fragte er. Sabine Wieck nahm im Vorbeigehen den Schwamm aus der Ablage unterhalb der Tafel und schleuderte ihn quer durch den Raum. »Da bin ich aber beruhigt«, sagte Kovacs. Er trat an den Tisch, goss sich Kaffee ein und wartete.
    »Wir waren in der Bergheimstraße, wie ausgemacht«, sagte Lipp. Sabine Wieck wandte sich Kovacs zu, stützte sich auf den Tisch und brüllte: »Da grinst dich diese schmierige Sau an und sagt: Glauben Sie, dass ich meiner Tochter etwas antun könnte? Und du sagst: Ja, das glaube ich. Und er grinst noch mehr und sagt: Schauen Sie mich an – ich bin psychisch krank. Selbst wenn es so wäre, könnte ich nichts dafür!« Kovacs rührte bedächtig Zucker in seinen Kaffee. Er dachte daran, wie nett er es fand, mit Sabine Wieck durch den Schnee zu stapfen, und wie herrlich sie aufloderte, wenn sie zornig war. »Ihr wart also auch bei den Schmidingers?«, fragte er. Lipp nickte. Ob er das richtig in Erinnerung habe, wenn er glaube, dass das nicht so vereinbart gewesen sei, fragte Kovacs, und Lipp antwortete hastig, sie hätten überlegt, dass es doch sinnvoll sein könne, einmal mit der Mutter des Mädchens allein zu reden. Er habe die Frau davor angerufen und sie habe gesagt, ja, sie sei allein, denn ihr Mann sei im Spital bei der Kleinen, und keiner habe damit rechnen können, dass er am Ende plötzlich in der Tür stehe. Sabine Wieck setzte sich hin, griff nach einer Serviette und wischte sich über die Augen. »Im Grunde war es eh egal«, sagte sie. »Was war egal?«, fragte Kovacs.
    »Ob er da war oder nicht.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    Sie hätten mit dem linken Nachbarhaus begonnen, erzählte Sabine Wieck, und gleich einmal einen jungen Eisenbahnbediensteten aus dem Bett gescheucht, der sich nach dem Nachtdienst soeben hingelegt gehabt habe. Entsprechend schlecht gelaunt sei der Mann dann gewesen. Ja, er habe eine Frau, habe er gesagt, und nein, er besitze unter Garantie keinen Hund. Mit einem vierjährigen Sohn, der sich momentan im Kindergarten befinde, könne er noch aufwarten, wenn das vielleicht hilfreich sei. Den
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