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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena
Autoren: Brigitte Riebe
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Weitem nicht ersetzen können.«
    Sie sprang zur Seite, denn kochende Brühe quoll über den Topfrand und hätte ihr beinahe die Hand verbrannt. Seit den frühen Morgenstunden arbeitete sie schon in der Küche, hatte Bohnen geputzt, Lauch gewaschen, Zwiebeln gehackt, Teig geknetet, ausgerollt und schließlich zu breiten Nudeln geschnitten, die nun fast gar waren. Ihr Rücken schmerzte, und die Beine spürte sie kaum noch, doch alles war um Vieles besser als das Stöhnen und Ächzen der Kranken im Großen Saal, den sie gestern fluchtartig verlassen hatte.
    »Ich hab dich hier unten noch nie gesehen.«
    Jetzt sprachen nur noch seine Augen, was ihr die Röte ins Gesicht trieb. Lupo hatte ihr nach der Hochzeit untersagt, mit fremden Männern zu reden, und um des lieben Friedens willen hatte sie sich auch dieser Anordnung gefügt. Jetzt kam sie sich plötzlich linkisch und plump vor, jeder noch so geläufigen Höflichkeit viel zu lange entwöhnt.
    »Ich bin auch erst seit ein paar Tagen da.«
    Er machte noch immer keine Anstalten zu gehen, sondern stand einfach da und sah sie unverwandt an. Unwillkürlich schielte Gemma an sich hinunter. Das ungefärbte Gewand der Oblaten, das sie von Celestina als Ersatz für ihr zerfetztes Kleid aus der Kleiderkammer erhalten hatte, hing an ihr wie ein Sack, in der Taille von einem Strick nur notdürftig zusammengebunden. Auf der Brust prangte als Stickerei die gelbe Leiter, unverwechselbares Signum von Santa Maria della Scala, das sich überall hier fand, sogar auf dem Brot, das in der ganzen Stadt als gesuchte Köstlichkeit galt. Mehl, Fett und Eier hatten ihre Spuren auf dem groben Stoff hinterlassen, und Gemma fühlte sich so schmutzig und verschwitzt wie die niedrigste Dienstmagd.
    »Warum starrst du mich so an?«, entfuhr es ihr, weil sie sich plötzlich schämte. »Hast du nichts Besseres zu tun?«
    »Ich kann gar nicht anders. Denn endlich habe ich gefunden, wonach ich so lange suchen musste.«
    Eine glühende Welle durchschoss sie. Und wenn Lupo ihn beauftragt hatte, sie gewaltsam zurückzuholen? Gemma hatte diesen unrasierten Kerl noch nie zuvor gesehen, aber das hieß gar nichts. Lupos Verbindungen reichten weiter, als ihr lieb sein konnte, das hatten bittere Erfahrungen sie in den vergangenen Jahren gelehrt. Vielleicht waren nicht einmal die Mauern des Hospitals stark genug, um ihn aufzuhalten.
    »Hat jemand dich geschickt, um mich auszuspionieren? Dann kannst du gleich wieder abziehen. Ich werde nämlich hierbleiben – und damit Schluss!«
    Jetzt lachte er, fröhlich und ausgelassen wie ein großer Junge.
    »Kann mir nur recht sein«, sagte er. »Denn was sollte sonst aus meinen Plänen werden?«
    Im allerletzten Moment riss Gemma einen weiteren Topf vom Feuer. Der würzige Duft von Bohnen, Zwiebeln und Knoblauch erfüllte die ganze Küche. Ein Schmer zensschrei entfuhr ihr, denn sie hatte vergessen, das Tuch zu nehmen, das von ihrem Gürtel baumelte, und sich an den heißen Griffen verbrannt. Sie hob die Hände zum Mund und begann heftig zu pusten.
    »Matteo!« Plötzlich stand Celestina vor ihnen. »Da also steckst du! Hab dich schon überall gesucht.«
    »Ich wollte nur noch schnell …«
    »Das kannst du mir später erzählen. Der Rektor wartet voller Ungeduld auf dich, oben, in seinem Uffizium. Und mach schnell, das rat ich dir, denn Barnas Laune war schon den ganzen Morgen über rabenschwarz!« Sie wandte sich an Gemma, während Matteo eilig die Küche verließ. »Lass mal sehen, Mädchen! Tut es sehr weh? Soll ich dir Salbe holen?«
    »Halb so schlimm.« Gemma versuchte das Pochen in den Fingerkuppen zu ignorieren, so gut es ging, denn sie war plötzlich befangen vor dieser kleinen Frau mit dem Krötengesicht und den klugen Augen, die so viel größer wirkte, als sie eigentlich war. »Ich komm schon einigermaßen zurecht. Wenigstens geb ich mir die allergrößte Mühe, madre .«
    Celestina, von zahllosen Warzen gezeichnet, die auf ihrem blassen Gesicht wie eine hässliche Milchstraße wucherten, schien die Seele des Hospitals zu sein, eine aufmerksame, unbestechliche Seele, ohne deren Zustimmung hier offenbar nichts entschieden wurde. Jetzt tauchte sie einen Löffel in den Topf, fischte nach Bohnen und Nudeln und blies, bis sie kühl genug waren, um zu kosten, dann nickte sie anerkennend.
    »Salbei fehlt«, sagte sie. »Und natürlich könnte eine ordentliche Portion pancetta nicht schaden, aber Kochen scheint dir zu liegen. Offenbar um vieles mehr als die
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