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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena
Autoren: Brigitte Riebe
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fühlen. »Und da das Osterfest nicht mehr fern ist, erscheint es mir als eine angebrachte Geste der Demut, sie in diesem Fall dem Hospital kostenlos zu überlassen.« Ein Wink zu seinem Begleiter. »Abladen, Leo!«
    Mit gleichmütiger Miene setzte der junge Mann seine Last ab und begann Tiegel und Töpfchen herauszukramen.
    Nardo hob erschrocken die Hände. »Aber doch nicht hier in meinem Uffizium – beim letzten Mal bin ich schier erfroren, weil ich nach Eurem Besuch tagelang lüf ten musste, um die üblen Miasmen wieder loszuwerden. Er soll alles gleich nach drüben in den Krankensaal bringen. Dort wird Celestina sich um die Medikamente kümmern.«
    »Du hast gehört, was der Rektor gesagt hat, Leo?«
    Tiegel und Töpfchen wanderten kommentarlos zurück in den Sack.
    »Ich gehe gleich?«, fragte Leo. Seine Stimme war überraschend hoch und kaum weniger ausdruckslos als seine Mimik.
    »Natürlich tust du das«, sagte der Apotheker. »Oder hast du plötzlich etwas mit den Ohren?«
    Für einen kurzen Augenblick sah Matteo einen Schatten über die Züge Leos huschen, dann kehrte der gleichmütige Ausdruck wieder zurück. Fasziniert starrte er den Gehilfen an. Niemals zuvor war ihm ein derart leeres Gesicht begegnet. Ob er ihn bitten konnte, ihm gelegentlich Modell zu sitzen? Es müsste eine Herausforderung sein, ihn zu zeichnen.
    »Wo habt Ihr ihn eigentlich her?«, wollte der Rektor wissen, als Leo wortlos zur Tür gegangen war.
    »Aus einem Kaff im Süden, wo es offenbar mehr Esel als Einwohner gibt. Sein früherer Herr wollte ihn dringend loswerden, da hab ich ihn eben aufgenommen. Inzwischen dient er mir schon einige Jahre.«
    Sie redeten über den Jungen, als sei er nichts anderes als ein Stück Vieh! Matteo spürte, wie Hitze in ihm aufstieg, so erging es ihm immer, wenn er Zeuge von Ungerechtigkeiten wurde, und er begann unruhig von einem Bein auf das andere zu treten.
    Jetzt erst schien den beiden Männern bewusst zu werden, dass der Künstler noch immer anwesend war.
    Nardo Barna räusperte sich. »Spätestens am kommenden Montag finde ich Euch also in der Kapelle vor, Messer Minucci, mit Euren gesamten Malutensilien. Sonst werdet Ihr …«
    Eine angedeutete Verneigung, die in ihrer Knappheit fast aufsässig wirkte. »Ich werde da sein, Rektor.«
    Die beiden Männer warteten, bis die Tür hinter dem Maler ins Schloss gefallen war.
    »Warum bist du wirklich hier, Savo?«
    »Das werd ich dir gleich verraten, alter Freund.« Auf der hohen Stirn des Apothekers glitzerten Schweißperlen. »Es gibt Neuigkeiten. Gute Neuigkeiten, stell dir vor! Unsere Sache scheint endlich wieder in Schwung zu kommen. Es ist mir gelungen, wichtige Verbündete zu gewinnen.«
    Während Marconi weiterredete, hoben sich die buschigen Brauen des Rektors vor Erstaunen. »Und du bist dir ganz sicher?«, sagte er schließlich. »Sie werden nicht gleich wieder abfallen? Man kann ihnen also tatsächlich trauen?«
    Der Apotheker nickte.
    »Genügt der Name Salimbeni nicht, um dich vollständig zu überzeugen? Unsere Ziele sind auch die ihrigen. Und dennoch ist es nicht viel mehr als ein Anfang. Vor uns liegt noch jede Menge Arbeit, wenn wir jemals erreichen wollen, was wir uns erträumt haben.«
    »Das weiß ich. Aber wissen die anderen auch schon davon?«
    »Du bist der Erste, zu dem ich mit der Neuigkeit komme. Bice wartet ebenfalls auf ihre Medizin. Dabei ergibt sich sicherlich Gelegenheit, im Hause di Nero ein paar Worte mit Enea zu wechseln.«
    »Es geht ihr doch inzwischen hoffentlich wieder etwas besser?«
    Eine vage Geste. »Wir dürfen die Hoffnung niemals aufgeben.«
    »Und Domenico?«, fragte der Rektor. »Wann wirst du es ihm sagen?«
    »Weißt du denn nicht Bescheid?« Die Stimme des Apothekers klang plötzlich matt. »Domenico wird bis auf Weiteres als Vertreter der Domherren unabkömmlich sein. Der Prozess hat gestern begonnen. Noch vor Ostern soll das Urteil gefällt werden.«
    »Die stumme Sünde?«
    »So zumindest lautet die Anklage.«
    »Sollte sie sich als wahr herausstellen, werden die Delinquenten erhalten, was sie verdienen.« Der Rektor nahm einen tiefen Schluck. »Siena kann sich keine Florentiner Verhältnisse leisten. Erst recht nicht, was die Moral seiner Bürger betrifft. Der Teufel versucht die Menschen durch die Lenden der Männer – eine ebenso alte wie leidige Geschichte.«
    Savo Marconi bekreuzigte sich rasch.
    »Gott sei ihrer Seele gnädig«, sagte er. »Denn vor dem Angesicht des Herren sind wir alle
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