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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena
Autoren: Brigitte Riebe
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ohnehin gleich da!«
    »Mamma Lina!« Sein Enthusiasmus blieb unbesiegbar. »Gemma ist gekommen. Gemma Santini!«
    Die angelehnte Tür öffnete sich ganz, und eine Schar von Kindern umringte Gemma.
    »Werft sie nicht gleich um!«, rief Mamma Lina. »So lasst sie doch erst einmal ihre Lasten loswerden!«
    Nur allzu gern befreite sich Gemma von dem ungewohnten Gewicht, und die Kinder stürzten sich neugierig auf den Inhalt von Korb und Kraxe.
    »Sie hat Brot mitgebracht, Öl und Grieß«, sagte das größte Mädchen, und ein scheues Lächeln verschönte ihr blasses Gesicht. »Dazu noch Zwiebeln, Lauch und Salz. Und da ist ja auch noch ein ganzer Sack Kirchererbsenmehl! Wir können wieder f arinate backen, Mamma Lina, so viel, bis wir platzen!«
    »Das ist Mia«, sagte Mamma Lina. »Lelio und sie sind meine beiden Großen.«
    Angelina und Cata wühlten eifrig weiter in dem Korb.
    »Mandelkekse«, sagte Angelina genießerisch und linste im Kauern zu Gemma hinauf. »Die mag ich am allerliebsten.«
    »Aber erst zum Osterfest!« Mamma Lina nahm ihr das Säckchen freundlich, aber energisch aus der Hand. »Jetzt ist nämlich noch Fastenzeit.«
    Die Kleine legte ihre Stirn in so drollige Falten, dass Gemma unwillkürlich lachen musste. Jedes Mal, wenn sie dieses Kind ansah, hatte sie das Gefühl, es schon zu kennen. Lag es an der runden Stirn, der kurzen, aufgeworfenen Nase, dem kleinen dunklen Fleck neben dem linken Auge? Oder war es die Art, wie Angelina sie ansah? Irgendwann würde sie sicherlich noch darauf kommen, an wen das Mädchen sie erinnerte.
    »Das ist Mauro.« Mamma Lina gab einem kleinen Jungen einen sanften Stoß. »Und das hier unser Raffi.« Der war größer, aber ebenso mager, schien nur aus Locken, riesigen Augen und Knochen zu bestehen.
    »Habt Ihr noch mehr davon?«, fragte Gemma, als die Kinder mit ihren Schätzen in die Küche gelaufen waren.
    »Sechs – und das sind mehr als genug.« Lina klang für einen Augenblick erschöpft. »Denn sie halten mich von früh bis spät auf Trab. Manchmal bin ich so müde, dass ich im Sitzen einschlafe. Doch am nächsten Morgen ist meine Kraft wieder da. Mit ihnen hier zu leben ist, wovon ich stets geträumt habe.« Sie lächelte. »Wenn alles sich erst einmal richtig eingespielt hat, werde ich vielleicht eine Magd anstellen, und dann können es meinethalben noch mehr werden.«
    Sie schob sich eine vorwitzige Strähne hinters Ohr. Wenn sie keinen Umhang und Schleier trug, sah man erst, wie jung sie noch war – und wie anziehend. Ein ovales Gesicht mit großen Augen, heller, makelloser Haut, zarten Lippen. Nur das braune Haar wollte nicht so recht dazu passen, wirkte stumpf und glanzlos.
    »Das alles sind angenommene Kinder?«, entfuhr es Gemma. »Oder ist eines davon Euer eigenes?«
    »Nein. Und Ihr? Habt Ihr Kinder?«
    »Nein«, sagte Gemma und spürte, wie sie errötete.
    »Wollt Ihr nicht hereinkommen?«, schlug Lina vor, die über die Antwort irgendwie erleichtert schien. »Ihr habt so schwer geschleppt. Ich würde Euch gern einen kühlenden Schluck anbieten.«
    »Danke.« Es war mehr Neugierde als Durst, was Gemma dazu brachte, die Einladung anzunehmen.
    »Dann lasst uns nach nebenan gehen! In der Küche ist jetzt erst einmal bis auf Weiteres die Hölle los.«
    Sie führte Gemma in einen schmalen Raum, den ein großer Tisch mit vielen Stühlen beinahe ausfüllte, und ging wieder hinaus. Nebenan hörte Gemma sie mit erhobener Stimme ein paar Sätze sagen, danach wurde es hinter der Wand deutlich ruhiger, und es dauerte nicht lange, bis Lina mit einem Krug und zwei Bechern zurückkehrte.
    »Manchmal kommen sie mir vor wie ein Sack Flöhe«, sagte sie. »Aber die Kinder geben sich so viel Mühe und lernen schnell. Und ich strenge mich an, es ihnen gleichzutun.«
    Sie schenkte stark verdünnten Wein in die Becher. Beide tranken.
    »Dann lebt Ihr hier also allein mit ihnen? Oder gibt es irgendwo noch einen Ehemann dazu?«
    »Ich bin verwitwet«, sagte Lina, und es klang abschließend.
    »Und offenbar noch nicht sehr lange in Siena«, sagte Gemma. »Woher kommt Ihr?«
    Die geraden dunklen Brauen zogen sich über der Nasenwurzel zusammen. »Eigentlich hatte ich vor, mich in Venedig niederzulassen, dann aber gab es Gründe, es doch lieber nicht zu tun.« Ein prüfender Blick zu Gemma. »Ihr kennt Venedig?«
    »Leider nein. Aber mein Vater hatte dort oft zu tun.« Es entging ihr nicht, wie geschickt die andere ausgewichen war.
    »Eine schöne, aber sehr kalte Stadt. Stets
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