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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena
Autoren: Brigitte Riebe
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durch deine Kehle rinnt.«
    Er hatte drei Becher bis zum Rand gefüllt. Mit einem davon ging er nun zu Gemma.
    »Trink!«, befahl er und hielt ihn ihr an die Lippen. »Ich hab mir immer gewünscht, dass ein Engel mir auf meinem Weg vorausgeht.« Er griff in ihre Haare, riss ihren Kopf nach hinten. »Mach den Mund auf, Gemma! Es ist gleich vor…«
    Die Türe sprang auf, eine Horde Mantellatinnen in schwarzen Umhängen drängte herein und füllte das Zimmer.
    »Lass sie sofort los!«, schrie Mamma Lina, die in der vordersten Reihe stand. »Die Männer des Rektors sind schon an der Haustüre, doch wir werden ihnen zuvorkommen. Bice, schlag zu – es trifft einen Teufel in Menschengestalt!«
    Bice di Nero hob den Arm, um den kräftigen Knüppel in ihrer Rechten auf Lupos Schädel sausen zu lassen. Doch der hatte blitzschnell den Becher, der für Gemma bestimmt gewesen war, an den eigenen Mund gesetzt und in einem Zug geleert.
    »Ich muss vorausgehen.« Er sackte in sich zusammen. »Jetzt ist es …« Arme und Beine begannen zu zucken, Schaum trat aus seinem Mund. Er röchelte.
    »Er stirbt!«, rief Gemma, während Matteo ihre Fesseln löste.
    Lupo riss die Augen auf, seine Lippen bewegten sich mühsam wie zu einer letzten Erwiderung.
    Dann rührte er sich nicht mehr.

    ❦

    »Du willst Siena verlassen?« Gemma wollte nicht glauben, was Mamma Lina gerade gesagt hatte, aber noch während sie nachfragte, wusste sie, dass es wahr war. Das Haus schien ganz verändert, alles leer geräumt und leblos, als wohnten schon jetzt keine Menschen mehr darin. »Aber das darfst du nicht!«, schickte sie noch mutlos hinterher.
    »Doch, ich darf.« Lina begann zu lächeln. »Ich muss sogar. Nach allem, was geschehen ist, ist kein Platz mehr für mich in dieser Stadt.« Sie berührte Gemmas Wange. »Du aber wirst sehr glücklich werden mit Matteo. Er liebt dich und wird noch viele wunderbare Bilder malen. Ich wünschte, ich könnte bei der Messe zu Ehren der neuen Madonna noch dabei sein …«
    »So schnell willst du weg?« Gemma spürte, wie ihre Augen feucht wurden. »Aber weshalb?«
    »Das Haus ist bereits verkauft. Wir werden das Geld gut gebrauchen können. Was sollte mich hier noch halten, unter der neuen Regierung?«
    »Die Kinder. Und ich …«
    »Ihr beide habt Angelina, die ihr großziehen könnt, und Lelio wird auch bei euch bleiben. Ihn hätte man niemals von dir trennen können, ohne ihm sehr wehzutun. Ich werde ihn vermissen. Aber Mia und Raffi werden mich in ein neues Leben begleiten. In eine neue Stadt. Zunächst soll es das kleine Lucignano sein, hoch oben auf einem Berg, von einer dicken Mauer umgeben, wo Santa Maria della Scala eine große Ölmühle und viele Weinberge besitzt. Barna hat sich bereit erklärt, uns auch dort mit den nötigen Zuwendungen zu unterstützen. Und was die weitere Zukunft bringt, wird sich erweisen.«
    So gerne hätte Gemma die Freundin umarmt, sie wenigstens einmal fest an sich gedrückt, aber etwas an Linas Haltung nahm ihr auch jetzt den Mut, es zu tun.
    »Vielleicht findest du ja eines Tages einen neuen Mann«, sagte sie. »Schließlich bist du schon lange genug Witwe. Und vielleicht hast du dann sogar eigene Kinder.«
    »Ich bin keine Witwe.« Linas Stimme klang hart. »Ebenso wenig wie ich jemals verheiratet war. Kinder kann ich niemals haben. Ich denke, dir bin ich die Wahrheit schuldig. Du sollst als Einzige mein Geheimnis kennen.« Sie wies auf einen der wenigen Stühle. »Setz dich, Gemma! Du wirst es nötig haben.«
    »Aber du hast doch immer gesagt …«
    »Ich hab sehr wenig darüber geredet, und das mit gutem Grund, denn es ist keine schöne Geschichte. Der Großteil meines Vermögens stammt von einem Seemann, der nach besten Empfehlungen la Salamandra aufsuchte, die damals im Hafenviertel von Pisa viele Kunden hatte. Vielleicht hatte er sogar sein ganzes Leben auf diesen Tag gewartet, denn er ging zu keiner der üblichen Huren. Er war erregt, und er hatte diesen seltsamen Husten, der irgendwann in Röcheln überging. Plötzlich hat er nicht mehr geatmet. Im Gepäck des Toten war einen Sack mit goldenen Münzen. An jenem Tag ist la Salamandra für immer gestorben.«
    Gemma schaute sie mit festem Blick an. »Dafür hätte ich mich nicht eigens hinsetzen müssen«, sagte sie. »Solche Frauen gibt es auch in Siena, und du weißt ja, dass Vater Angelina von einer …«
    »Warte!« Linas gebieterische Geste brachte Gemma zum Schweigen. »Ich bin noch nicht zu Ende.« Sie löste den
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