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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena
Autoren: Brigitte Riebe
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seine lebendigen Skulpturen gelten als frühe Zeugnisse des selbstbewussten Menschenbildes der Renaissance.
    Die politische Entwicklung ging einher mit der wirtschaftlichen und kulturellen: Die Stadt wuchs heran auf circa 60 000 Einwohner. Ein Drittel davon lebte von der Wollwirtschaft. Die Kaufleute handelten mit Stoffen und Gewürzen. Banken wurden gegründet; eine der ältesten Banken überhaupt ist die Monte di Paschi von Siena. Die Waren kamen größtenteils von der damaligen Hafenstadt Pisa, teilweise auch vom kleineren Hafen Talamone südlich von Grosseto. Aus Grosseto selbst kam das sehr begehrte und hoch besteuerte Salz. Die sienesische Stadtregierung förderte ständig den Bau und Ausbau der Straßen und Wegenetze, die für ihren Reichtum unabdingbar waren, denn es mangelte der Stadt an der früher wohl elementarsten Verkehrsverbindung: einem Fluss. Zum Glück jedoch führte eine der wichtigsten Fernstraßen, die Via Franchigena, direkt an Siena vorbei. Nicht nur Händler kamen hier des Wegs, sondern auch zahlreiche Pilger auf dem Weg nach Rom. Die neu gegründete Universität zog Studenten und Gelehrte an.
    So war die Stadt immer auch ein Treffpunkt von Reisenden, die Geld, aber auch neue Ideen und Kenntnisse mitbrachten. Im Register der Wirtshäuser von 1288 sind bereits 88 Gastwirte aufgeführt, doch die meisten Pilger suchten und fanden Aufnahme im Pellegrinaio, dem großen Pilgersaal des städtischen Hospizes von Santa Maria della Scala.
    Das Hospiz ist seit dem 10. Jahrhundert direkt gegenüber den Treppen des Doms nachgewiesen, hatte sich aber besonders im 14. Jahrhundert durch zahlreiche Schenkungen von angrenzenden Wohnhäusern zu einem weitläufigen Komplex entwickelt, in dem Laienbrüder und -schwestern (!) sich nicht nur der durchziehenden Pilger, sondern vor allem auch der Armen und Kranken der Stadt annahmen. Zudem war das Hospiz das Waisenhaus der Stadt, wo auch Neugeborene problemlos Aufnahme fanden. Die vielfältigen Aufgaben der Caritas erfüllte das Hospiz aufs Vortrefflichste. Für die medizinische Versorgung gab es einen Medicus, einen Chirurgen sowie einen Apotheker und offensichtlich keinerlei Mangel an Pflegepersonal. Jeder Kranke hatte ein Anrecht auf ein mit frischem Leintuch bezogenes Bett. Nur Pest- und Leprakranke konnten nicht aufgenommen werden – für sie gab es ein Hospiz außerhalb der Stadtmauern. Täglich wurden die Armen gespeist, Pilger bekamen ein Mahl und eine Bettstelle. Das Hospiz entwickelte sich zur größten wirtschaftlichen Macht der Stadt, mit zahlreichen Landgütern, Mühlen und Herbergen. Der Besitz gehörte der Kirche, aber die Verwaltung lag bei den Laienbrüdern und -schwestern, vertreten durch ihren Rektor.
    Besondere Aufmerksamkeit widmete man der Aufnahme und Erziehung der Waisenkinder. Die Neugeborenen wurden bestimmten Ammen zugeteilt, die gegen Bezahlung für die ersten drei Lebensjahre des Kindes Sorge trugen. Danach übernahm das Hospiz die Pflege und Erziehung der Kinder. Sie lernten hier Lesen und Schreiben, die Jungen ein Handwerk, die Mädchen Haushaltsführung und Pflege. Wenn sie groß waren, konnten sie als Arbeitskraft im Hospiz oder in einem der ihm untergeordneten Güter verbleiben. Wer das Hospiz verlassen wollte, bekam eine Abfindung, junge Frauen in Form einer Mitgift, die es ihnen ermöglichte, sich gut zu verheiraten. Alle diese Aktivitäten des Hospizes sind wunderbar dargestellt in den Fresken des Pilgersaales.
    Die kirchliche Macht präsentierte sich parallel zur weltlichen, aber zwischen den beiden Institutionen herrschte eine Art friedliche Koexistenz. So beschenkte die »Regierung der Neun« die Kirche als Dank für die Hilfe der Muttergottes beim Sieg von Monteaperti mit einer prächtigen Altartafel für den Dom, gemalt im byzantinischen Ikonenstil von Duccio di Buoninsegna. Sie wurde zum Stolz der Stadt, die sich seit der siegreichen Schlacht unter dem besonderen Schutz der Muttergottes wähnte.
    Während die weltliche und die kirchliche Macht der Stadt miteinander harmonierten, tobte hingegen ein ständiger Machtkampf mit Florenz, der großen Rivalin von Siena. Aus diesem Grund sollte auch der hohe marmorne Dom, kaum fertiggestellt, noch weiter wachsen – so groß wie der florentinische sollte er werden. Enorme Erdbewegungen schufen Platz für die geplante Erweiterung, die allerdings auf technische Schwierigkeiten stieß. Man hatte sich übernommen, und dann kam die Pest.
    1348. Das Schreckensjahr für Siena: Kaum die
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