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Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Titel: Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)
Autoren: Liz Nugent
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Jahrgangs. Eine brillante Studentin und umwerfend schön auf diese typische west-irische Weise. Ich stand immer etwas in ihrem Schatten. Laura hat das gute Aussehen meiner Mutter geerbt; Mum entstammte einer langen Linie schwarzhaariger Schönheiten aus West Cork, wo in grauer Vorzeit spanisches Blut den Genpool verdunkelt haben muss. Ich komme nach meinem Vater. Die Männer seiner Familie waren seit Generationen Bauern im County Laois. Kartoffelbauern, um genau zu sein, und es muss etwas Wahres daran sein, dass man ist, was man isst. Blass sind wir, blond, mit pockennarbiger Haut und unregelmäßigen Gesichtszügen. Ganz anders Laura. Alle liebten Laura.
    Ein paarmal hat Laura Oliver zum Essen mit zu uns nach Hause gebracht. Meine Mutter war von ihm dermaßen begeistert, dass es unter normalen Umständen vermutlich abschreckend gewirkt hätte. Aber Laura war längst in Oliver verliebt – auch wenn sie das lange Zeit sehr gut zu verbergen wusste, ehe sie dann doch seinem Charme erlegen ist. Oliver und Laura gehörten zu einer Clique, die abends gemeinsam durch die Pubs zog oder die Wochenenden in unserem Ferienhaus in Wicklow verbrachte. Meine Schwester war wirklich glücklich mit ihm. Und ich war neidisch.
    Ich habe nie wirklich verstanden, was mit Laura passiert ist. Fragen kann man sie jetzt natürlich auch nicht mehr. Oliver schien genauso schockiert zu sein wie wir. Aber was wirklich geschah, bleibt unklar. In letzter Zeit denke ich oft an Laura und was hätte sein können. Sie und Oliver waren ungefähr fünf Monate zusammen, bis zu jenem schrecklichen Sommer, den wir als Erntehelfer in Bordeaux verbrachten.
    Ich weiß nicht mehr, wer zuerst auf die Idee gekommen ist. Vielleicht sogar Laura. Bestimmt kannte sie jemanden, der jemanden kannte, und nach einem harten Studienjahr inklusive Prüfungen war es einfach eine gute Gelegenheit, Dublin und der elterlichen Kontrolle für eine Weile zu entkommen. Der Plan war, nach Frankreich zu fahren und im Weinbau zu arbeiten. Andere hatten Jobs in deutschen Fabriken gefunden oder arbeiteten in London auf dem Bau, aber Weinberge klangen in unseren Ohren ungleich verlockender. Auf jeden Fall nach reichlich billigem Alkohol. Dass es eine ziemliche Schufterei würde, ging uns eigentlich erst auf, als wir dort waren. Oliver war damals sofort von der Idee begeistert und einer der Ersten, der sich anmeldete. Als Gegenleistung sollten wir Kost und Logis und einen ziemlich dürftigen Lohn bekommen. Die Sache schien unkompliziert, und mit dem Argument, dass man sich doch die Gelegenheit nicht entgehen lassen dürfe, französische Sprache und Kultur vor Ort zu studieren, ließen sich sogar unsere Eltern überzeugen.
    Wir trafen in der letzten Maiwoche ein. Die erste Zeit verging wie im Flug. Eine Autostunde von Bordeaux entfernt, war das Anwesen landschaftlich sehr schön in einem Tal gelegen, komplett mit Schloss und hektarweise Land, das wir bis zur Traubenlese zu bewirtschaften hatten. An eine Seite des Weinbergs grenzten Pfirsich- und Apfelbäume, an die andere ein Olivenhain.
    Madame Véronique, eine Witwe Ende dreißig, führte das Anwesen. Die einzig anderen Familienmitglieder waren ihr sechsjähriger Sohn, ein aufgeweckter Junge namens Jean Luc, und ihr schon recht betagter Vater, Monsieur d’Aigse. Monsieur d’Aigse und Jean Luc waren unzertrennlich. Hand in Hand sah man sie über das Anwesen spazieren, um gemeinsam die Blumen und die Bäume zu betrachten. Der alte Mann beugte sich zu dem Jungen herab, hielt dessen kleine Hand fest in seiner knorrigen Pranke, die ab und an von einem unkontrollierbaren Zittern befallen wurde. Manchmal sah man sie verstohlen flüstern, dann wieder lauthals lachen. Die beiden schienen eine prima Zeit zu haben, und es war nie so ganz klar, wer hier eigentlich wen bei der Hand nahm.
    Das Gut befand sich seit mehreren Generationen in Besitz der Familie d’Aigse; während des Krieges war es von den Nazis besetzt und die Familie für einige Jahre von ihrem Grund und Boden vertrieben worden. Der Weinberg hatte in dieser Zeit brach gelegen, dem Dorf fehlte die Lebensgrundlage. Das Château war seines Reichtums, nicht jedoch seines Stolzes beraubt. Gerüchten zufolge soll Monsieur d’Aigse für die Résistance gekämpft und von den weitläufigen Kellern des Gutes aus etliche Sabotageaktionen initiiert haben. Ich weiß bis heute nicht, ob etwas Wahres daran war. Aber allein die Vorstellung war toll, dass solche Aktionen in den Tiefen des alten
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