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Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Titel: Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)
Autoren: Liz Nugent
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locker geworden. So kannte ich sie überhaupt nicht. Während ich noch am Überlegen war, wie ich mich jetzt verhalten sollte, hatte sie sich schon über den Tisch gebeugt und mich mitten auf den Mund geküsst. Ich bin natürlich im siebten Himmel geschwebt, logisch, aber dann ist wieder der blasierte Kellner angekommen. Wir würden die anderen Gäste stören, hat er gesagt. Die anderen Gäste waren ein Paar in mittleren Jahren und zwei alte Damen. Gut möglich, dass die sich gestört gefühlt haben, aber was kümmerte es mich? Ich konnte mein Glück kaum fassen. Arm in Arm sind wir die Treppe hinaufgeschlendert. Ich habe Alice noch zu ihrem Zimmer gebracht – bis zur Tür, versteht sich – , wo wir uns leidenschaftlich geküsst haben. Dann hat Alice gefragt, ob ich die Nacht in ihrem Zimmer verbringen will. Klar wollte ich. Sie hat sich aufs Bett fallen lassen und ihre Schuhe, einen nach dem anderen, in Richtung Papierkorb gekickt. Natürlich hat sie das Ding beide Male meilenweit verfehlt. Mein Gott, sie war unglaublich. Ich hab gesagt, ich wär gleich zurück, und bin zum Bad am Ende des Gangs gerannt (sagen wir mal so, es war nicht gerade das Vier Jahreszeiten). Dort habe ich mich ins Plastikbecken der Dusche gestellt und so schnell wie möglich eingeseift, ein paar Mal unter dem lauwarmen Rinnsal abgespült, das aus dem rostigen Duschkopf getröpfelt ist, und mich mit einem dünnen, harten Handtuch so hektisch trockengerubbelt, dass es mir fast die Haut vom Leib geschmirgelt hätte. Dann hab ich meinen Bademantel übergezogen und bin zurück zu ihrem Zimmer gerast. Unterwegs noch einen kurzen Blick in den Spiegel geworfen, der draußen im Flur hing. An meinen Zähnen und Lippen hatten sich schmierige dunkle Ränder vom Wein abgesetzt. Nur Graf Dracula hätte mehr Eindruck schinden können. Also ich zurück ins Bad geprescht, um mir noch schnell die Zähne zu putzen, und schwupps, bin ich auf dem nassen Boden ausgerutscht, habe noch versucht mich im Fallen am Waschbecken festzuhalten, und bin mit dem rechten Ellbogen voraus zu Boden gekracht. Bei meinem Sturz muss ich eine Wasserleitung von der Wand gerissen haben, aus der es kalt auf mich niederprasselte. Herrje, das hat weh getan. Und die Erniedrigung erst – als ich aufsah, standen der Hotelchef und die beiden alten Damen vor mir, und zu allem Unglück hatte sich auch noch mein Bademantel geöffnet. Eine größere Blöße hätte ich mir nicht geben können.
    Alles, was ich beim Pferderennen gewonnen hatte, ist bis auf den letzten Penny für die Reparatur und einen Arzt draufgegangen, der mich noch vor Ort behandelt hat. Als ich um halb vier morgens zurück auf Alices Zimmer gekommen bin, hat sie noch genauso dagelegen, wie ich sie Stunden vorher zurückgelassen hatte. Vollständig angezogen, nun aber leise schnarchend. Müde und betrunken wie ich war, von den Schmerzen meines frisch eingerenkten Ellbogens ganz zu schweigen, bin ich zurück auf mein Zimmer und habe mich die halbe Nacht im Bett gewälzt.
    Die Rückfahrt war schrecklich. Alice hat puterrot geglüht vor Scham wegen ihrem »schändlichen Verhalten«, wie sie das genannt hat, und ich konnte wegen meinem kaputten Arm ja nicht fahren, und deshalb hab ich sie ans Steuer gelassen. Lassen müssen. Nach dieser Fahrt wäre es mit meiner Liebe zu ihr fast vorbei gewesen. Wir hatten fünf Nahtoderfahrungen. Ich bin mit bis zu den Ohren hochgezogenen Schultern dagesessen und habe bis heute Alpträume von dieser Kreuzung in Kinnegad. Danach ist unsere Beziehung merklich abgekühlt.
    Die Woche drauf hab ich dann meinem Kumpel Gerry von der Nacht im Hotel berichtet, habe ihm sogar die Rechnung gezeigt, damit er mal sehen konnte, was der Spaß mich gekostet hatte. Gerry hat sich schlappgelacht – ich hatte eine ganze Flasche Port bestellt.
    Nach einer Weile war zwischen Alice und mir wieder alles beim Alten, auch wenn nie wieder die Rede davon gewesen ist, dass wir mal wegfahren und irgendwo über Nacht bleiben. Ich hab ihr gestanden, aus Versehen Port statt Wein bestellt zu haben, und von da ab konnten wir über die Sache lachen und dem Alkohol die Schuld an den Ereignissen jener Nacht geben.
    Meine Mam hat sich gefreut, dass wir zusammen waren. Sie hat Alice oft zum Tee eingeladen. Manchmal brachte Alice auch Eugene mit; leider hat Mam sich dann immer ganz besondere Mühe gegeben und so laut mit ihm gesprochen, als wäre er taub. Mir ist das ganz schön peinlich gewesen, aber Eugene hat nur gelacht. Was
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