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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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ja, das müßt Ihr auch. Einem Mann von so hohem Rang würde es nichts ausmachen, sich gewaltsam Zugang zu Eurem Bett zu verschaffen.« Sie streute Sand über den Brief, damit er trocknete, dann versiegelte sie ihn mit Kerzenwachs und gab ihn mir. »Da. Und vergeßt nicht, mir durch die Äbtissin meine Miniaturen zuschicken zu lassen, wenn sie fertig sind.«
    »Das vergesse ich nicht, Madame, und Gottes Segen über Euch«, sagte ich, knickste tief und verließ ihr Studierzimmer rückwärts gehend und unter größter Hochachtung.
    An diesem Abend ritten Nan und ich, hinter den bewaffneten Dienern der Herzogin von Alençon sitzend, auf gefrorenen Straßen nach Norden, Nan mit meinem Malkasten hinter sich und ich mit dem Vogelkäfig in der Hand. Angespannt und bänglich lauschte ich auf den Hufschlag uns nachsetzender Pferde, hörte jedoch unter einem blassen, winterlichen Halbmond nichts als das Knarren der kahlen Äste und das Klirren der stählernen Stollen unserer eigenen Pferde auf dem steinhart gefrorenen Boden. Es war dunkel, und ich sorgte mich ununterbrochen. Wie sollte mich Robert Ashford vor Bourbons Helfershelfern retten und heimbringen? Was würde geschehen, wenn Herzogin Marguerite meine Geschichte bei einem Festessen ausplauderte, Bourbon sie hörte und erriet, wo ich war? Würde ich mein Leben lang im Kloster bleiben müssen, gerade als es den Anschein hatte, daß ich mit Robert Ashford glücklich werden könnte? Angenommen, ihm stieße etwas Schreckliches zu und er holte mich nicht? Am Ende betete ich nur noch. Nach Haus, lieber Gott, ich will nach Haus.

    »Ihr müßt mich heiraten, Ihr müßt! Bringt mich fort von hier! Bringt mich heim! Habt Ihr mir nicht einst Zeichen Eurer Zuneigung geschickt? Jetzt könnt Ihr sie unter Beweis stellen!« Das Gesicht der Weißen Königin war rot und geschwollen, und sie weinte und klammerte sich an Suffolks Schaube. Sie waren allein in dem verdunkelten Raum; der König hatte ihm eine Unterredung unter vier Augen gewährt und die französischen Edeldamen fortgeschickt. Doch Suffolk war so schwer von Begriff, daß nicht einmal jetzt seine Alarmglocken läuteten. Er erfaßte zwar Einzelheiten der Klemme, in der er saß, doch bedauerlicherweise paßte nicht mehr als ein Gedanke zur selben Zeit in seinen Kopf. Zunächst einmal hatte er Angst vor König Heinrich. Ein Mann, der mit der Schwester seines Herrschers durchbrennt, zahlt mit seinem Kopf. Und König Franz fürchtete er auch. Der Mann haßte ihn. Er konnte seine Mission vereiteln, und das war noch das mindeste, und dann war er bei König Heinrich in Ungnade. Andererseits aber war Franz zu allem fähig. Er wäre gewiß nicht der erste unumschränkte Herrscher, der einen mißliebigen Gesandten einsperrte oder umbrachte. Doch wie konnte er sich retten, das heißt Mary Tudor nicht heiraten, ohne König Franz vor den Kopf zu stoßen? Franz' Lächeln gefiel ihm ganz und gar nicht, er sah aus, als hätte er das alles so geplant.
    Doch das waren die Gedanken, ehe die Weiße Königin ihn in ihrem Schlafgemach mit ihrem leidenschaftlichen Ungestüm überfiel. Königin Marie war durch ihre lange Gefangenschaft von Sinnen und warf sich ihm mit wehendem rotgoldenem Haar und zerknittertem, tränenfleckigem weißem Gewand an die Brust. Sie war genauso eigensinnig und starrköpfig wie ihr Bruder. Während die Worte nur so herauspurzelten, versuchte er einen Rückzieher, fand jedoch die Tür verriegelt. Sie war so schön – und hatte er nicht früher gedacht, es könnte sehr kurzweilig mit ihr sein? Aber sein Kopf? Es ging nicht.
    »Ach, Ihr seid mir ein schöner Ritter. Habt Ihr nicht geschworen, die Witwen zu beschützen? Also beschützt auch mich! Heiratet mich, oder Ihr seid für mich der größte Heuchler auf Erden. Und ich sage es meinem Bruder, ich sage ihm alles. Charles Brandon, der falsche Ritter und Verräter! Warum zögert Ihr noch? Liebt Ihr mich denn nicht? Habt Ihr Angst vor meinem Bruder?« Suffolk nickte betäubt. »Dann wisset, daß mein Bruder mir versprochen hat, daß ich heiraten kann, wen ich will, nachdem ich Königin von Frankreich war, und an dieses Versprechen werde ich ihn erinnern.«
    »Aber… aber, ich würde Euch jeden Dienst erweisen, nur…«
    »Oh, welche Schmach! Ihr habt mir das Herz gebrochen!« rief die mädchenhafte Königin, warf sich aufs Bett und weinte ungestüm mit heftigen, stürmischen Schluchzern.
    Suffolk setzte sich aufs Bett neben Marie, die es nur so schüttelte, und versuchte
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