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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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an Mylord von Suffolk geschrieben habe, noch hinzu, daß ich keinen Menschen kenne, der in größerer Gefahr schwebt. Er darf erst nach England zurückkehren, wenn der Zorn des Königs verraucht ist. Ach, der Tor, der Tor.« Wolsey seufzte tief. Seine Politik war gescheitert. Die Königin von Frankreich kehrte mit Schimpf und Schande zurück, und er mußte all seine List aufwenden, damit sie nicht schon bald zum zweiten Mal Witwe wurde. Franz, der dem Bündnis nichts abgewinnen konnte, war König. Schon jetzt kaperten französische Kapitäne englische Schiffe, und Franz unternahm nichts dagegen. Was kam als nächstes? Ohne Verbündete konnte sich England keinen Krieg gegen Frankreich leisten. Würde Wolseys König die unendlich vielen Nadelstiche des neuen französischen Königs hinnehmen müssen?
    Ah, da war ja Cavendish mit einem neuen Berg Korrespondenz an der Tür. Wenigstens ein angenehmes Gesicht. In der Tat angenehmer als Gedanken an König Franz I. Schweigend öffnete er die kleine Holzschatulle und betrachtete das Gesicht seines Gegners. Jung, aber listig und schlau über seine Jahre hinaus. Hochfahrend. Lüstern. Eigensinnig. Ein grimmiger und verschlagener Feind hinter einer lächelnden, glitzernden Fassade. Das alles sagte ihm das Porträt.
    »Ein weiterer Brief von der französischen Königin, Euer Gnaden, und ein verschlüsselter von Master Ashford.«
    »Endlich. Was treibt er dort überhaupt? Seit einem Monat keine Nachricht von ihm, seit er mir den Unsinn über eine Verschwörung im Süden Frankreichs und dieses Porträt geschickt hat. Master Tuke, der Brief muß sofort entschlüsselt werden.«
    Während Tuke sich mit Dechiffrier-Rad und Kerzenflamme abmühte, überschüttete Cavendish Wolsey auf die gewohnte glattzüngige Art mit schmeichelhaften, amüsanten Bemerkungen. Tuke hörte sich Wolseys Antworten mit wachsendem Ärger an. Mylord von York war eindeutig bezaubert. Wer arbeitet und wer schmeichelt? dachte Tuke und drückte die Feder auf das Papier, daß sich der Kiel spaltete, es spritzte, und er mußte einen neuen anspitzen.
    »Euer Brief ist fertig«, sagte Tuke schließlich und reichte dem Erzbischof das Ergebnis seiner Bemühungen.
    »Faszinierend, faszinierend. Eine vom Herzog von Bourbon angeführte Verschwörung gegen den Thron ist fehlgeschlagen. Er wurde nicht entdeckt und schmeichelt sich weiterhin täglich bei König Franz ein. Die Verschwörer – ach, was für Toren. Das nächste Mal wird sich Bourbon stärkere Verbündete suchen.« Bourbon, dachte Wolsey. Er erbt die Hälfte des französischen Grund und Bodens, und einen entfernten Anspruch auf den Thron hat er auch. Wenn Franz klug wäre, ließe er ihn auf der Stelle enthaupten. Was Staatskunst angeht, so ist Franz noch jung, dachte Wolsey und trommelte mit den Fingern auf der hölzernen Lehne seines Stuhls. Ja, ja. Bourbon. Interessant. Ich sollte abwarten, bis er deutliche Zeichen von Unzufriedenheit erkennen läßt, dann nehme ich Kontakt mit ihm auf. Wir werden ja sehen. Ein Bündnis mit dem Kaiser und Bourbon gegen Franz. Das wäre zu schaffen. Bourbon würde Frankreich in zwei Teile teilen, und Franz würde ihn um das alte Bündnis anbetteln. Und ich, ich könnte wählen…
    »Euer Gnaden«, sagte Cavendish und störte ihn in seinen Gedanken. Der Bischof legte sie still in der Hirnschublade »Bündnisse, verräterisch« ab, die nicht weit von »Kardinalshut, Fortschritte« und »Hampton Court, Renovierung der Wasserspiele« lag.
    »Ach ja, Cavendish, der neueste Brief der französischen Königin. Wie ziehen wir die nur aus der Patsche?« fragte er.

    »Oh, Madame la Duchesse hat recht. Das sind wunderschöne Arbeiten«, sagte die Äbtissin. Sie saß an dem großen Schreibtisch in ihrem schlichten, weiß getünchten Arbeitszimmer. Marguerite d'Alençons Brief lag geöffnet vor ihr, und sie sah sich an, was mir von meinen Skizzen und kleinen Gemälden geblieben war. Nonnen kamen und gingen in Geschäften, desgleichen der Obergärtner und der Beichtvater der Nonnen, ein alter Priester mit so schütterem grauem Haar, daß er sich keine Tonsur mehr scheren mußte. Nan und ich saßen aneinandergeschmiegt und warteten auf das, was sie sonst noch zu sagen hatte. »Ein Kloster dieser Art ist ein großes Wirtschaftsunternehmen. Es tut mir leid, daß ich Eurer Geschichte nicht meine volle Aufmerksamkeit schenken konnte. Ah. Wer ist dieser Engel? Das ist das Schönste von allem, was Ihr mitgebracht habt.«
    »Madame, das ist der Engel
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