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Die Sturmfluten des Frühlings

Die Sturmfluten des Frühlings

Titel: Die Sturmfluten des Frühlings
Autoren: Ernest Hemingway
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griff um sich. Die weißen Säulen verschwanden in den aufsteigenden Rauchschwaden. Scripps hatte sich fest an das halbwollene Kleid seiner Mutter geklammert.
    General Sherman bestieg wieder sein Pferd und verneigte sich tief. «Mrs. O’Neil», sagte er, und Scripps’ Mutter erzählte immer, daß ihm Tränen in den Augen standen, obschon er ein verdammter Yankee war. Der Mann hatte ein Herz, mein Herr, selbst wenn er seinen Eingebungen nicht folgte. «Mrs. O’Neil, wenn der General hier wäre, könnten wir es unter uns Männern ausmachen. Wie die Dinge stehen, Ma’am, da Krieg nun einmal Krieg ist, muß ich Ihr Haus herunterbrennen.»
    Er winkte einem seiner Soldaten zu, der vorwärts rannte und einen Kübel mit Petroleum in die Flammen warf. Die Flammen züngelten hoch, und eine große Rauchsäule stieg auf in die stille abendliche Luft.
    «General Sherman», hatte Scripps’ Mutter triumphierend gesagt, «wenigstens wird diese Rauchsäule die anderen loyalen ‹Töchter des Bundes› warnen und auf Ihr Kommen vorbereiten.»
    Sherman verneigte sich. «Das ist das Risiko, das wir auf uns nehmen müssen, Ma’am.» Er gab seinem Pferd die Sporen und ritt davon; sein langes weißes Haar wehte im Wind. Weder Scripps noch seine Mutter sahen ihn je wieder. Merkwürdig, daß er jetzt an diese Sache denken mußte. Er blickte auf. Vor ihm war ein Schild:

    Browns Bohnenstube
    Erprobt und gelobt

    Hier würde er hineingehen und essen. Das war es, was er wollte. Er würde hineingehen und essen. Dieses Schild

    Erprobt und gelobt

    Ja, diese großen Bohnenstubenbesitzer waren gescheite Kerle. Die wußten, wie man Kunden anzieht. Die brauchten keine Anzeigen in der Saturday Evening Post. Erprobt und gelobt. Das war das Wahre. Er ging hinein.
    Drinnen in der Bohnenstube sah sich Scripps um. Da war eine lange Theke. Da war eine Uhr. Da war eine Tür, die in die Rüche führte. Da standen ein paar Tische. Da war ein Haufen Krapfen unter einer Glasglocke. Da waren Schilder an der Wand verteilt, die die Sachen anpriesen, die es zu essen gab. War dies auch wirklich Browns Bohnenstube?
    «Könnten Sie mir wohl sagen, ob dies Browns Bohnenstube ist?» fragte Scripps eine ältliche Kellnerin, die durch die Pendeltür aus der Küche hereinkam.
    «Ja, Sir», antwortete die Kellnerin. «Erprobt und gelobt.»
    «Danke schön», sagte Scripps. Er setzte sich an die Theke. «Ich hätte gern einmal Bohnen für mich und einmal für meinen kleinen Vogel hier.»
    Er öffnete sein Hemd und setzte den Vogel auf die Theke. Der Vogel sträubte die Federn und schüttelte sich. Er pickte neugierig an der Ketchupflasche herum. Die ältliche Kellnerin streckte ihre Hand aus und streichelte ihn. «Was das für ein mannhafter kleiner Kerl ist!» bemerkte sie. «Übrigens», fragte sie und sah ein bißchen beschämt aus, «was hatten Sie noch bestellt?»
    «Bohnen», sagte Scripps, «für meinen Vogel und mich.»
    Die Kellnerin schob ein kleines Schiebefenster in die Höhe, das in die Küche führte. Scripps erhaschte einen Blick in den warmen, dampferfüllten Raum mit großen Töpfen und Kesseln und vielen blitzenden Konservenbüchsen an der Wand.
    «Einmal Schwein mit Knallbohnen!» rief die Kellnerin mit sachlicher Stimme durch das offene Schiebefenster. «Und einmal für einen Vogel.»
    «Aufm Feuer», antwortete eine Stimme aus der Küche.
    «Wie alt ist der Vogel?» fragte die ältliche Kellnerin.
    «Ich weiß es nicht», sagte Scripps. «Ich hab ihn gestern abend zum erstenmal gesehen. Ich ging auf den Eisenbahngleisen von Mancelona entlang. Meine Frau hat mich verlassen.»
    «Armer kleiner Kerl», sagte die Kellnerin. Sie goß etwas Ketchup auf ihren Finger, und der Vogel pickte dankbar daran herum.
    «Meine Frau hat mich verlassen», sagte Scripps. «Wir waren draußen auf den Eisenbahngleisen und tranken. Wir gingen häufig abends hinaus und beobachteten, wie die Züge vorbeifuhren. Ich schreibe Geschichten. Ich hatte eine Geschichte in der Post und zwei im Dial. Mencken ist hinter mir her. Aber ich bin zu schlau für so was. Die Polizei ist nichts für mich. Vor der krieg ich’s große Kotzen.»
    Was sagte er da nur? Er schwatzte wild drauflos. So ging das nicht weiter. Er mußte sich zusammenreißen.
    «Scofield Thayer war Brautführer bei meiner Hochzeit», sagte er. «Ich habe in Harvard studiert. Alles, was ich will, ist, daß man mir und meinem Vogel Gerechtigkeit widerfahren läßt. Schluß mit der Weltpolitik. Lassen Sie mich mit Dr.
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