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Die Sturmfluten des Frühlings

Die Sturmfluten des Frühlings

Titel: Die Sturmfluten des Frühlings
Autoren: Ernest Hemingway
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lesen, was du schreibst. Das war nicht einfach Gerede. Bring es nur, und wir wollen es zusammen durchgehen. Wenn du möchtest, werde ich einzelne Stellen für dich umschreiben. Das soll nicht etwa irgendwelche Kritik bedeuten. Falls dir irgend etwas in diesem Buch nicht gefällt, schreibe einfach an Charles Scrib, Hauptbüro. Sie werden es für dich ändern. Oder wenn es dir lieber ist, werde ich es selbst ändern. Du weißt ja, was ich von dir halte, lieber Leser. Und du bist auch bitte nicht böse oder verärgert über das, was ich über Mr. Fitzgerald gesagt habe, nicht wahr? Hoffentlich nicht. Jetzt will ich das nächste Kapitel schreiben. Mr. Fitzgerald ist weg, und Mr. Dos Passos ist nach England gefahren, und ich glaube, ich kann dir versprechen, daß es ein Prachtkapitel werden wird. Auf jeden Fall wird es genauso gut sein wie ich es schreiben kann. Wir wissen beide, wie gut das sein kann, wenn wir den Waschzettel lesen, was, lieber Leser?

2
    Drinnen in der Bohnenstube. Sie sind alle drinnen in der Bohnenstube. Manche sehen die anderen gar nicht. Alle sind ganz mit sich beschäftigt. Rote Männer sind mit roten Männern beschäftigt. Weiße Männer sind mit weißen Männern oder mit weißen Frauen beschäftigt. Es sind keine roten Frauen da. Gibt es denn keine Squaws mehr? Was ist aus den Squaws geworden? Haben wir unsere Squaws in Amerika verloren? Schweigend trat durch die Tür, die sie geöffnet hatte, eine Squaw in den Raum. Sie war nur mit einem Paar abgetragener Mokassins bekleidet. Auf dem Rücken trug sie ein Papoose. * Neben ihr schritt ein Eskimohund.
    «Nicht hinsehen!» rief der Reisende den Frauen an der Theke zu.
    «Los, wirf sie raus!» rief der Besitzer der Bohnenstube. Die Squaw wurde von dem Negerkoch mit Gewalt rausgeschmissen.
    Man hörte, wie sie sich draußen im Schnee wälzte. Ihr Eskimohund bellte.
    «Mein Gott! Wohin hätte das führen können!» Scripps O’Neil wischte sich die Stirn mit einer Serviette.
    Die Indianer hatten mit unbewegten Gesichtern zugesehen. Yogi Johnson war unfähig gewesen, sich zu rühren. Die Kellnerinnen hatten ihre Gesichter mit Servietten, oder was sie gerade zur Hand hatten, bedeckt. Mrs. Scripps hatte ihre Augen mit dem American Mercury bedeckt. Scripps O’Neil fühlte sich schwach und taumelig. Etwas hatte sich in ihm gerührt, als die Squaw ins Zimmer gekommen war, irgendein vages, urmenschliches Gefühl.
    «Wo wohl die Squaw hergekommen ist?» fragte der Reisende.
    «Sie ist meine Squaw», sagte der kleine Indianer.
    «Großer Gott, Mann! Kannst du ihr nicht was zum Anziehen besorgen?» sagte Scripps beinah stimmlos. Ein Klang von Entsetzen war in seinen Worten.
    «Sie mag keine Kleider», erklärte der kleine Indianer. «Sie ist Waldindianer.»
    Yogi Johnson hörte nicht zu. Irgend etwas war in ihm geborsten. Etwas hatte gezündet, als die Squaw in den Raum gekommen war. Er hatte ein neues Gefühl. Ein Gefühl, das er für immer verloren geglaubt hatte. Auf immer verloren. Verloren. Weg auf ewig. Jetzt wußte er, daß er sich geirrt hatte. Jetzt war wieder alles bei ihm in Ordnung. Durch den reinsten Zufall hatte er es festgestellt. Was hätte er nicht vielleicht alles denken können, wenn die Squaw nicht in die Bohnenstube gekommen wäre. Was für schwarze Gedanken hatte er gewälzt! Er war dem Selbstmord nahe gewesen. Selbstzerstörung. Sich selber umbringen, Hier in dieser Bohnenstube. Was das für ein Fehler gewesen wäre. Er wußte es jetzt. Wie er sich sein Leben hätte verhunzen können. Sich selbst umbringen! Jetzt sollte der Frühling nur kommen. Er sollte nur kommen. Er konnte gar nicht schnell genug kommen. Der Frühling sollte nur kommen. Er war bereit für ihn.
    «Hört mal», sagte er zu den zwei Indianern. «Ich möchte euch etwas erzählen, was mir mal in Paris passiert ist.»
    Die beiden Indianer beugten sich vor. «Weißer Häuptling hat das Wort», bemerkte der große Indianer.
    «Mir passierte mal was in Paris, was ich für etwas ganz Wunderbares hielt», begann Yogi. «Kennt ihr Indianer Paris? Gut. Na, schließlich stellte sich heraus, daß es das Scheußlichste war, was mir je im Leben passiert ist.»
    Die Indianer brummten. Sie kannten ihr Paris.
    «Es war der erste Tag meines Urlaubs. Ich ging den Boulevard Malesherbes entlang. Ein Auto fuhr an mir vorbei, und eine schöne Frau beugte sich heraus. Sie rief mich, und ich ging. Sie nahm mich in ein Haus mit, ein hochherrschaftliches Haus in einem abgelegenen Teil von Paris,
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