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Die Sturmfluten des Frühlings

Die Sturmfluten des Frühlings

Titel: Die Sturmfluten des Frühlings
Autoren: Ernest Hemingway
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und da passierte mir etwas Wunderbares. Nachher führte mich jemand durch eine andere Tür hinaus, als durch die, durch die ich hereingekommen war. Die schöne Frau hatte mir gesagt, daß sie mich niemals wiedersehen würde, daß sie es nicht könnte. Ich versuchte die Nummer des Hauses festzustellen, aber es gehörte zu einem Block von Häusern, die alle gleich aussahen.
    Von da an, meinen ganzen Urlaub durch, versuchte ich die schöne Dame wiederzusehen. Einmal glaubte ich, sie im Theater erkannt zu haben. Sie war es nicht. Ein andermal glaubte ich, daß ich einen flüchtigen Schimmer von ihr in einem vorüberfahrenden Taxi erhascht hatte, und sprang in ein anderes Taxi und folgte. Ich verlor das Taxi aus den Augen. Ich war verzweifelt. Schließlich, am vorletzten Abend meines Urlaubs, war ich so verzweifelt und niedergeschlagen, daß ich mit einem von jenen Fremdenführern loszog, die garantieren, einem ganz Paris zu zeigen. Wir gingen los und besuchten verschiedene Lokalitäten. ‹Ist das alles, was ihr zu bieten habt?› fragte ich den Führer.
    ‹Es gibt etwas ganz Großes, aber es ist sehr teuer›, sagte der Führer. Schließlich einigten wir uns auf den Preis, und der Führer brachte mich hin. Es war in einem alten, hochherrschaftlichen Haus. Man sah durch einen Spalt in der Wand. Die ganze Wand entlang standen Leute, die durch einen Spalt sahen. Man konnte die Uniformen von Männern aller alliierten Länder und viele gutaussehende Südamerikaner im Abendanzug sehen, die durch den Spalt sahen. Ich sah selbst durch einen Spalt. Eine ganze Zeitlang passierte nichts. Dann kam eine schöne Frau mit einem jungen englischen Offizier in das Zimmer. Sie nahm ihren langen Pelzmantel und ihren Hut ab und warf beides auf einen Stuhl. Der Offizier nahm seinen Sam Browne-Gürtel ab. Ich erkannte sie. Es war die Dame, mit der ich zusammengewesen war, als mir das Wunderbare passiert war.» Yogi Johnson blickte auf seinen leeren Bohnenteller. «Seitdem», sagte er, «habe ich nie mehr eine Frau begehrt. Wie ich gelitten habe, kann ich gar nicht sagen. Aber ich habe gelitten, Jungens, ich habe gelitten. Ich gab dem Krieg die Schuld, ich gab Frankreich die Schuld. Ich gab dem Verfall der allgemeinen Moral die Schuld. Ich gab der jüngeren Generation die Schuld. Ich gab dem und jenem die Schuld. Jetzt bin ich geheilt. Hier sind 5 Dollar für euch, Jungens.» Seine Augen glänzten. «Bestellt euch noch was zu essen. Amüsiert euch irgendwo. Dies ist der glücklichste Tag meines Lebens.»
    Er stand von seinem Schemel an der Theke auf, schüttelte dem einen Indianer impulsiv die Hand, ließ seine Hand einen Augenblick auf der Schulter des anderen Indianers ruhen, öffnete die Tür der Bohnenstube und schritt hinaus in die Nacht.
    Die beiden Indianer blickten einander an. «Weißer Häuptling ist ein wahrhaft netter Kerl», bemerkte der große Indianer.
    «Glaubst du, er war im Krieg?» fragte der kleine Indianer.
    «Ich frage nicht», sagte der große Indianer.
    «Weißer Häuptling hat versprochen, mir einen neuen künstlichen Arm zu kaufen», murrte der kleine Indianer.
    «Vielleicht bekommst du mehr als das», sagte der große Indianer.
    «Ich frage nicht», sagte der kleine Indianer.
    Sie aßen weiter.
    Am anderen Ende der Theke fand eine Ehe ihr Ende.
    Scripps O’Neil und seine Frau saßen nebeneinander. Mrs. Scripps wußte es jetzt. Sie konnte ihn nicht halten. Sie hatte versucht und versagt. Sie hatte verloren. Sie wußte, das Spiel war verloren. Sie konnte ihn jetzt nicht mehr halten. Mandy erzählte wieder. Erzählte. Erzählte, erzählte unentwegt. Dieser nicht enden wollende Strom von literarischem Klatsch, der ihre, Dianas, Ehe zerstörte. Sie konnte ihn nicht halten. Er ging. Ging. Ging von ihr fort. Diana saß da in Verzweiflung. Scripps hörte zu, wie Mandy erzählte. Wie Mandy erzählte. Erzählte. Erzählte. Der Reisende, inzwischen ein alter Freund, saß und las seine Detroit News. Sie konnte ihn nicht halten. Sie konnte ihn nicht halten. Sie konnte ihn nicht halten.
    Der kleine Indianer stand von seinem Schemel an der Bohnenstubentheke auf und ging hinüber ans Fenster. Das Glas des Fensters war mit dichtem, reifartigem Frost bedeckt. Der kleine Indianer hauchte gegen die gefrorene Fensterscheibe, rieb den Fleck mit dem leeren Ärmel seines Mackinaw-Mantels blank und blickte hinaus in die Nacht. Plötzlich wandte er sich vom Fenster ab und stürzte hinaus in die Nacht. Der große Indianer guckte zu, wie er
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