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Die Stunde des Venezianers

Titel: Die Stunde des Venezianers
Autoren: Cristen Marie
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kostbaren Schmuckes war ihr gering. Sein symbolischer Wert berührte sie zutiefst.
    »Dann bist du bereits mit der Absicht, um mich zu werben, nach Brügge gekommen?«
    »Ich hielt es für möglich, dass du mir gewogen bist. Unser Abschied in Dijon ließ es mich hoffen.«
    »Es tat mir weh, als du gingst …«
    »Es tat auch weh, dich mit Alain von Auxois zu sehen. Wollen wir damit nicht die Vergangenheit ruhen lassen? Uns gehören die Gegenwart und die Zukunft.«
    Domenico löste den Verschluss ihres Hausgewandes und strich es langsam über ihre Schultern, bis es, vom eigenen Gewicht gezogen, zu Boden sank.
    Aimée machte keinen Versuch, sich zu bedecken. Nur das spektakuläre Geschmeide aus geschliffenen Diamanten schmückte sie und ihr einladendes Lächeln. Die heftig pulsierende Ader an ihrem Hals verriet, dass sie nicht so gelassen war, wie es schien.
    Domenico hob sie auf die Arme.
    »Komm zu Bett, geliebte Gemahlin«, sagte er und trug sie zum Alkoven, wo er sie sanft hinuntergleiten ließ. Ehe er den eigenen Mantel fallen ließ, wandte er sich den Kerzen zu, aber Aimée gebot ihm Einhalt.
    »Lass sie brennen«, bat sie. »Die Dunkelheit ist vorbei.«
    Fast bereute sie ihren Mut, als er sich nackt an ihre Seite legte. Seine wunderbare Haut, die sich über sehnigen Muskeln spannte, sein kraftvolles Verlangen überraschten sie, die doch schon mehr von der Liebe zu wissen glaubte als die ahnungslose Braut von Gent, die sie einst war.
    Seine Augen verrieten ebenso Bewunderung wie Begehren, aber auch Unglauben und ein fast andächtiges Zögern.
    Das vollendete Glück des Augenblicks machte sie beide sprachlos. Sie fanden sich in einem Kuss, der ihre ganze Leidenschaft entzündete.
    Nie zuvor hatte Aimée so intensiv verspürt, eins zu sein mit einem anderen Menschen. Abseits der Leidenschaft entdeckte sie, was sie immer gesucht hatte, ohne es benennen zu können: die Vollkommenheit der Liebe, die nicht wertet und fordert, sondern gibt.
    Du wirst einen Weg finden. Du musst ihn langsam und Schritt für Schritt gehen. Tue erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche. Mit Domenico würde sie es schaffen.
    Sie hatten einen Weg gefunden, wie ihre Großmutter es ihr vorausgesagt hat.

Epilog
    B RÜGGE , 25. M ÄRZ 1375
F EST M ARIÄ V ERKÜNDIGUNG
    Die Konferenzen von Brügge, die durch das persönliche Eingreifen des Heiligen Vaters zustande gekommen waren, vereinten bislang unversöhnliche Feinde am Verhandlungstisch. Philipp der Kühne stand an der Spitze der französischen Delegation. Er hatte nicht ohne Grund die flämische Stadt für dieses Zusammentreffen vorgeschlagen. Seine künftigen Untertanen fühlten sich geschmeichelt, und er bewies zugleich den Engländern, dass ihr Einfluss in Flandern künftig der Vergangenheit angehörte.
    Jede der Abordnungen zählte so viele Köpfe, dass die Stadt nicht alle Gäste beherbergen konnte. Rund um die kreisförmige Maueranlage wehten zwischen den verstreuten Windmühlen die Banner über den Zeltlagern der Engländer, der Franzosen und der Burgunder. Viele mussten auf den Luxus eines festen Daches über dem Kopf verzichten. Das Wetter meinte es jedoch gut mit ihnen. Die Frühlingssonne wärmte das flache Land zwischen den Kanälen und Flussläufen, und an sonnigen Deichhängen blühten bereits erste Krokusse.
    Aimée versuchte einen Blick auf das Fahnenmeer zu erhaschen, aber die Dächer der Stadt verbargen es. Wie schade, dass es ihr verwehrt war, die Deiche entlangzureiten. Sie hatte den bedauernden Gedanken kaum zu Ende gebracht, als ein messerscharfer Schmerz durch ihren Leib fuhr. Vorsichtig stieß sie den angehaltenen Atem aus. Es war schon wieder vorbei.
    Sie sah Domenico entgegen, der in die Kaminstube trat. Die vergangenen Jahre hatten seiner faszinierenden Ausstrahlung nichts anhaben können. Er weigerte sich, die Mode, die zwei- und mehrfarbige Gewänder auch für Männer vorschrieb, mitzumachen. Wie immer trug er Schwarz. Nur an Hals und Ärmeln blitzte das feine Leinen eines weißen Hemdes auf. Aimée streckte ihm die Hände entgegen.
    »Wäre ich nicht deine Frau, ich würde mein Herz heute noch einmal an dich verlieren«, sagte sie aufrichtig. »Überbring bitte der Herzogin meine Grüße und mein Bedauern darüber, dass ich nicht am Empfang und dem Bankett teilnehmen kann.«
    »Geht es dir gut? Ist alles in Ordnung?« Domenico betrachtete ihren gewölbten Leib.
    »Aber natürlich.« Aimée lächelte über seine
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