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Die Stunde des Venezianers

Titel: Die Stunde des Venezianers
Autoren: Cristen Marie
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präsentabler bist.«
    Er übersah ihre fragenden Augen und verschwand. Lison erschien mit zwei Hausknechten, die einen Holzzuber und eimerweise warmes Wasser heranschleppten. Aimée bedauerte es, den so lange vermissten Luxus eines Bades nicht ausdehnen zu können, aber die Neugier trieb sie aus dem Wasser, sobald sie sich sauber fühlte.
    Nur einen Glockenschlag nach der Terz, um neun Uhr, erschien sie fertig angekleidet in der großen Stube. Domenico trat ihr mit strahlenden Augen entgegen. Lison hatte Aimée das blaue Gewand aus Damme mitgebracht, das sie zum Wettbewerb der Bogenschützen getragen hatte. Sie hatte, während sie um Aimées Leben bangte, ihre Angst mit Arbeit betäubt und kurzerhand die üppige Schleppe des Gewandes gekappt. Mit dem gewonnenen Stoff hatte sie das Rückenteil ersetzt.
    Aimée war es gleichgültig, was sie trug. Sie hatte nur Augen für Domenico. Das schwarze Samtwams verbarg seine Verletzung, und seiner geschmeidigen Verneigung war keine Behinderung anzumerken.
    »Unten steht ein Tragstuhl für dich bereit, Aimée«, erklärte er, nachdem er sich zum feierlichen Kuss über ihre Hand geneigt hatte. »Man erwartet uns in der Kirche des heiligen Salvator. Bist du bereit, deinen Eheschwur abzulegen?«
    »Jetzt? Heute?«, fiel sie aus allen Wolken.
    »Jetzt. Heute. Ich will, dass alles seine Ordnung hat. Ich will, dass weder der Herzog von Burgund noch der Graf von Flandern oder der Magistrat von Brügge sich in unser Leben einmischen können. Ich will, dass du zu mir gehörst, dass ich für immer das Recht habe, dich zu lieben und für dich zu sorgen.«
    Ich will. Starke Worte. Aimée sah ihn an. Dies war kein Ruben, der nur an sich dachte. Aber auch kein Alain, der sich leicht unterordnete. Mit Domenico zu leben versprach Herausforderung und Leidenschaft. Sie würden nicht immer einer Meinung sein. Aber sie würden einander immer lieben. Sie hatten diese Liebe mit zu viel Kummer, Zeit und Herzblut erkauft, um sie leichtsinnig wieder aufs Spiel zu setzen.
    Sie straffte die Schultern und reichte Domenico die rechte Hand.
    »Ich lege mein Schicksal in deine Hände, Domenico Contarini.«
    »Sei gewiss, dass ich mein Leben dafür einsetzen werde, dass du diesen Entschluss nie bereust«, antwortete er feierlich.
    Wenig später kniete Aimée neben ihm auf den Stufen eines Seitenaltares von Sankt Salvator. Der grauhaarige Priester, der ihnen die Stola über die Hände legte und den Bund segnete, war kein Freund überflüssiger Worte, so dass die Zeremonie sehr kurz ausfiel. Domenico streifte ihr einen breiten, steinlosen Goldreif zu dem Diamantring ihrer Großmutter auf.
    Während sie noch gerührt darüber nachsann, ob er auf einen Edelstein verzichtet hatte, um den einzigen Stern von Andrieu, den sie noch besaß, nicht in den Schatten zu stellen, segnete der Geistliche bereits ihren Bund. Danach bat er sie in die Sakristei, damit die Eheschließung im Kirchenbuch eingetragen und bezeugt wurde.
    Colard de Fine und sein alter Schreiber Joris setzten ihre Namen als Trauzeugen unter die von Domenico und Aimée.
    »Ich wünsche Euch von Herzen Glück«, gratulierte Joris und hatte Mühe, seine Rührung zu meistern. »Ihr habt eine kluge Wahl getroffen, Frau Contarini.«
    »Seid Ihr ebenfalls dieser Meinung, Colard?«, fragte Aimée, als auch er sich vor ihr verneigte. Ausgerechnet ihn am ersten Morgen ihres neuen Lebens an der Seite zu haben berührte sie eigenartig. Wenn sie ganz ehrlich mit sich selbst war, hätte sie lieber Abraham ben Salomon in dieser Rolle gesehen. Aber ein Jude konnte keine christliche Ehe bezeugen.
    »Das bin ich, Aimée«, antwortete Colard ernst. »Ich schulde dir viel, und ich bin mir bewusst, dass ich dir Unrecht getan habe. Ich bitte dich um Verzeihung und wünsche dir alles Glück für die Zukunft. Ich werde das Haus Cornelis verlassen und mit Gleitje unter Kortes Dach ziehen. Meine Tante wird uns begleiten. Du verdienst einen neuen Anfang. Wir wollen das Unsere dazu tun, damit er glücklich ist.«
    Aimée hielt ihn nicht auf, obwohl sie das Gefühl hatte, sie sollte es eigentlich tun. Er war im Hause Cornelis aufgewachsen. Er hatte es als sein Elternhaus betrachtet. Domenico durchschaute ihre zwiespältigen Emotionen.
    »Lass ihn gehen. Es ist das Beste, was er tun kann. Er fühlt sich Frau Sophia verpflichtet, und Gleitje trägt schließlich sein Kind. Er muss aus eigener Kraft für seine Familie sorgen und sich den Gehorsam beider Frauen sichern. Du kannst ihm
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