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Die Stunde der Zikaden

Die Stunde der Zikaden

Titel: Die Stunde der Zikaden
Autoren: Felicitas Mayall
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Veranstaltung werden wir nach meinen Vorstellungen durchführen.
    Jetzt erschien Domenica auf der Treppe, diesmal nicht in wallenden Gewändern, sondern in Hosen und Pullover.
    «Fahr in den Hof!» Diese raue, kalte Stimme.
    «Nein. Ich bleibe genau hier stehen, und ich bestehe darauf, dass ihr den Mist hier in fünf Minuten ausladet.»
    «Fahr in den Hof!»
    «Ich fahre nicht in den Hof, auch wenn du einen Waffenschein hast, Domenica!» Guerrini saß noch immer im Wagen und hatte auch nicht die Absicht auszusteigen. Langsam kam sie die Treppe herunter. Als er die Waffe in ihrer Hand sah, wusste er, dass er wieder verlieren würde.
    «Raus!»
    Noch eine halbe Minute lang leistete Guerrini so etwas wie symbolischen Widerstand, dann stieg er aus.
    «Wir brauchen dich hier nicht mehr», sagte Domenica. «Du kannst zu Fuß zurückgehen. Gib mir dein Handy und verpiss dich!»
    Noch ehe die Fortsetzung des Films vor ihm ablief, wusste Guerrini, was geschehen würde. Der Butler ohne Handschuhe stieg in seinen Lancia und fuhr ihn in den Innenhof. Domenica folgte ihm, rückwärts gehend, die Pistole auf Guerrini gerichtet. Dann schloss sich das Tor. War das Enrico am Fenster? Es fehlte nur noch der Ruf einer Eule, um die Szene perfekt zu machen, doch es blieb still.

 
    ZWEIMAL verfehlte Laura die Abzweigung zum Landsitz der Colaltos, fand die schmale Straße erst, als sie Schritttempo fuhr. Sie dankte der Madonna dafür, dass sie mit diesem alten Mercedes so vertraut war wie mit ihrem eigenen in München. Angelo war vermutlich bereits oben, deshalb würde sie den Wagen irgendwo stehen lassen und zu Fuß weitergehen. Sie hatte keine Ahnung, was da oben geschah, wollte nur in seiner Nähe sein, falls es gefährlich würde.
    Als an der steilsten Strecke des Weges etwas gegen ihr Seitenfenster schlug, zuckte sie zusammen. Eine dunkle Gestalt rannte neben dem Wagen her, sie musste zwischen den Zypressen auf sie gewartet haben. Dieser verdammte Nebel. Jetzt tauchte ein Gesicht neben ihr auf. Laura bremste scharf.
    Guerrini ließ sich auf den Beifahrersitz fallen und lehnte sich zurück. «Kehr um, Laura. Jemand ist hinter mir her.»
    Sie ließ den Wagen rückwärts in einen Feldweg rollen, wendete, gab Gas. Es knallte, Projektile trafen das Heck des Mercedes.
    «Runter!», schrie Guerrini.
    Sie duckten sich tief in die Sitze, und Laura raste zwischen den schwarzen Zypressenwänden durch die Nebelbänke wie in einer Geisterbahn.
    «Fehlt nur noch ein Pflug!», sagte Guerrini.
    Auf der Hauptstraße fuhren sie langsamer, sie brauchten ein bisschen, um wieder ruhig zu werden.
    «Das war nicht in Teos Drehbuch, oder?» Laura warf Angelo einen kurzen Blick zu.
    «Sie werden sagen, dass Jagdsaison ist und dass einer ihrer Jäger auf Wildschweine geschossen hat. Das funktioniert in diesem Land immer. Weißt du eigentlich, dass du ganz wunderbar bist, Laura? Du erscheinst nicht im falschen, sondern im richtigen Augenblick. Wie kommt das?»
    «Das liegt daran, dass ich das Drehbuch geändert habe. Ferruccio hat mir den Wagenschlüssel gegeben, und ich bin losgefahren, ohne auf Teos Startsignal zu warten. Ich hatte so ein Gefühl …»
    «Ich danke dir für dieses Gefühl.»
    «Was ist mit deinem Wagen passiert?»
    «Sie haben ihn kassiert. Wahrscheinlich als Ausgleich für den Pflug. Meinst du, wir sollten Teo anrufen? Ich kann leider nicht. Das Telefon hat Domenica mir auch abgenommen.»
    «Bravo!» Laura reichte Guerrini ihr Handy. «Ruf du ihn an, ich fahre lieber weiter.»
    «Wohin?»
    «Keine Ahnung. Jedenfalls weg von dieser schrecklichen Frau. Ich habe versucht, dich anzurufen, aber du hattest dein Telefon ausgeschaltet.»
    «Ich konnte doch nicht riskieren, dass es bei einer der Übergaben plötzlich klingelt.»
    «Sollen wir riskieren, zu Ferruccio und Teo zurückzufahren? Ich hatte plötzlich den Eindruck, dass Teo vielleicht für beide Seiten arbeitet.»
    «Ich ruf ihn an, dann sehen wir weiter.»
    Teo war begeistert, dass sein Plan funktioniert hatte. Das mit dem Lancia tat ihm leid. Guerrini ging nicht darauf ein. Sie bekamen die Anweisung, den Mercedes irgendwo vor dem Resort in einem Feldweg abzustellen und am Strand entlang zu Ferruccio zu gehen. Sie sollten den Hintereingang benutzen. Ruben sei derzeit bei den Schweizern zu Besuch. Man wartete.
     
    Sie krochen am Zaun von Il Bosco entlang. Alles war nass vom feinen Nieselregen, der ihre Gesichter besprühte und von den Büschen tropfte. Es roch nach Salz und Moos, nach
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