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Die Stunde der Zikaden

Die Stunde der Zikaden

Titel: Die Stunde der Zikaden
Autoren: Felicitas Mayall
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Telefonino.
     
    Es wurde kein einfaches Gespräch. Fernando schwieg, Guerrini versuchte zu erklären, worum es ihm ging. Ungeschickt. So hatten sie noch nie miteinander geredet. Nicht über Vergangenes, nicht über Eigentliches. Über Tagesereignisse, ja, darüber schon. Über die Fernsehnachrichten, übers Essen, über Fernandos angebliche Heldentaten als Partisan. Wenig über Guerrinis Mutter. Wenig über die Geschäfte. Die gab es eben, und das war’s.
    «Domenica will dich hochgehen lassen, papà.»
    «Was? Was hast du gesagt? Ich habe nicht verstanden, die Verbindung ist sehr schlecht.»
    «Bei mir ist sie gut, obwohl ich im Haus bin.»
    «Also, was war das?»
    «Domenica will dich hochgehen lassen.»
    Husten. Räuspern.
    «Was soll denn der Quatsch.»
    «Es ist kein Quatsch, Vater. Das weißt du genau. Du hast mir ein Geschäft angeboten. Erinnerst du dich? Nun, Domenica hat mir auch eins angeboten. Ich finde, es ist langsam Zeit, dass du mir erzählst, um was es hier eigentlich geht.»
    «Ich hab keine Ahnung, wovon du redest.»
    «Schade, ich möchte dich nämlich nicht hochgehen lassen, aber wenn du mir nicht sagst, um was es hier geht, dann kann ich es nicht verhindern.»
    Der alte Guerrini antwortete nicht.
    «Eh, papà, bist du noch da?»
    «Kannst du nicht nach Siena zurückkommen? Am Telefon geht das nicht, Angelo.»
    «Nein, ich kann jetzt nicht zurückkommen. So viel Zeit hat mir Domenica nicht gegeben.»
    «Das sind verdammte hundert Kilometer. Das wirst du doch in einer Stunde schaffen!»
    «Ich muss hier etwas erledigen, und das erfordert Zeit, Vater. Ich kann nicht kommen.»
    «Soll ich kommen?»
    «Bleib, wo du bist! Das ist zu gefährlich.»
    «Gefährlich? Wovon redest du, eh? Warst du im Krieg? Du nicht, aber ich! Ich komme. Ich lass mich von deiner Cousine fahren!»
    «Papà! Ich muss es jetzt wissen. In diesen Minuten, verstehst du? Ich muss mit Domenica verhandeln. Es geht nicht anders!»
    Schweigen. Dann ein Seufzen.
    «Papà?»
    «Ich weiß es nicht.»
    «Was weißt du nicht?»
    «Ich weiß nicht, womit sie mich hochgehen lassen will.»
    «Dann denk mal ganz ruhig nach. Als du und Mama plötzlich nicht mehr nach Portotrusco gefahren seid, was ist da passiert? In den Akten steht etwas von Verdacht auf organisierte Kriminalität. Das betraf dich!»
    «Woher weißt du das?»
    «Es steht in den Akten.»
    «Welchen Akten? Schnüffelst du hinter mir her? Was fällt dir eigentlich ein?»
    «Stopp! Was war damals los?»
    «So kannst du mit deinen Verbrechern reden, aber nicht mit deinem Vater!»
    «Du lässt mir keine andere Wahl. Es tut mir weh, wenn du dich ständig hinter Nebelwerfern versteckst.»
    «Was hast du gesagt? Nebelwerfer?» Fernando Guerrini hustete.
    «Da siehst du’s! Du hustest ja schon!»
    «Woher nimmst du deinen Humor, Angelo?»
    «Den hab ich von dir!»
    «Deine Mutter hatte auch Humor.»
    «Zum Glück, sonst hätte sie es mit dir auch nicht ausgehalten. Also, was ist los?»
    «Ah, wir hatten damals gute Geschäfte mit den Keramiken und mit … na ja, es wurde viel gegraben in der südlichen Toskana. Etruskische und römische Sachen. Die waren in Amerika sehr beliebt. Die hatten ja nichts außer Indianern. Aber das war nicht mein Ding. Ich konnte ja nichts dafür, dass Colalto seine antiken Sachen unter meinen Madonnen und den anderen Keramiken versteckte. Die Sache wurde nicht weiter verfolgt und ist längst verjährt. Was also willst du, Angelo?»
    «Bist du sicher, dass der junge Colalto nicht dasselbe macht? Dass in deinem Container voller Madonnen jede Menge andere Dinge auf dem Weg nach Amerika sind?»
    «Santa Caterina!»
    «Ja, Santa Caterina! Die brauchen wir jetzt wirklich, babbo. Steuerhinterziehung ist übrigens auch kein anständiger Charakterzug.»
    «Ah, hast du noch mehr auf Lager? Ich bereue gar nichts, wenn ich sehe, was die alles mit unserem Geld machen! Diese Banker und Politiker!»
    «Jaja, ist schon gut. Ich danke dir für deine Auskunft. Falls dir noch was einfällt, ruf mich an.»
    «Angelo … ist alles in Ordnung?»
    «Ich weiß nicht.»
    «Ich meine, zwischen uns.»
    «Das klären wir später, ja?»
    «Wenn du meinst.»
    «Ja, meine ich, papà. Mach’s gut.»
    «Du auch, Angelo. Pass auf dich auf. Diese Colaltos sind gefährliche Leute.»
    Wie klein seine Stimme geworden ist, dachte Guerrini, brüchig, beinahe greisenhaft. Ist es meine Schuld, weil ich in diesem Misthaufen gestochert habe? Wieder spürte er dieses merkwürdige schmerzhafte
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