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Die Stunde der Zikaden

Die Stunde der Zikaden

Titel: Die Stunde der Zikaden
Autoren: Felicitas Mayall
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Holz und Pilzen. Als sie endlich den Strand erreichten, waren sie bis auf die Haut durchnässt. Vom Meer konnten sie nur weißwogende Gischt erkennen, als breite sich in der Dunkelheit eine rätselhaft brodelnde Ebene vor ihnen aus, kaltes und doch flüssiges Magma, das kühle, feuchte Dämpfe ausstieß.
    «Aspetti un momento.» Guerrini fasste nach Lauras Schulter und drehte sie zu sich. «Ehe dieser ganze professionelle Quatsch wieder anfängt, wollte ich dir noch etwas sagen.»
    «Cosa?»
    «Ti amo.» Sanft küsste Guerrini die Tropfen von Lauras Gesicht. Als sie etwas sagen wollte, verschloss er ihren Mund mit seiner Hand. «Es besteht keine Verpflichtung, Liebesgeständnisse sofort zu erwidern, amore. Komm, lass uns gehen, sonst erkälten wir uns.»
     
    Wenig später saßen sie in trockenen Kleidern, einer Leihgabe von Teo, in Ferruccios Wohnzimmer und tranken heißen Tee. Laura hatte Kommissar Baumann angewiesen, den heißen Tipp in Bezug auf Ruben und die Schweizer an alle zuständigen Kollegen weiterzugeben. Zum Glück hatte sie ihn erreicht, obwohl es schon beinahe Mitternacht war.
    «Du musst dich gar nicht wundern», beschwerte er sich. «Schließlich bist du im Urlaub, und wir sind wie immer unterbesetzt. Ich bin sozusagen im Dauereinsatz. Und was machst du? Verschaffst mir zusätzliche Arbeit. Grazie!»
    «Ach, du Armer», erwiderte Laura. «Der letzte Mordfall liegt genau vier Wochen zurück, und er wurde innerhalb von drei Tagen aufgeklärt. Was also würdest du tun, wenn ich nicht wäre? Sudokus lösen?»
    Immerhin versprach er, sich sofort um die Sache zu kümmern, und sagte, er finde es eigentlich ganz spannend, da er «noch nie im Bereich OK» gearbeitet hätte.
    Nach dem Tee tranken sie Kaffee, um wach zu bleiben. Guerrini fragte den alten Dichter nach dem Haiku über die Zikaden und musste zu seiner Enttäuschung feststellen, dass der alte Herr diese Tiere ohne besondere Hintergedanken ausgewählt hatte. Einfach, weil sie wunderschöne durchsichtige Flügel hätten, die man nur selten zu sehen bekam. Gegen zwei nickte Ferruccio in seinem Sessel ein, und Teo servierte Pizza. Um halb drei fuhren die Schweizer ab, zwanzig Minuten später Ruben.
    Teo lächelte sein geheimnisvolles Lächeln und begab sich mit Laura und Guerrini in sein «Labor», wie er es nannte. Dort zeigte er ihnen auf einem Bildschirm den Weg, den die beiden Fahrzeuge nahmen. Nach Portotrusco und dann zum Landsitz der Conti Colalto, als hätte er sie ferngesteuert.
    «Eigentlich wundert es mich», sagte er. «Sie müssen sich sehr sicher fühlen und wirklich daran glauben, dass die Ermittlungen eingestellt wurden. Ich nehme an, dass eine sehr einflussreiche Persönlichkeit die Hand über sie zu halten gedenkt … nur war diese Hand nicht schnell genug.»
    «Ich versteh gar nichts mehr», murmelte Guerrini. «Die Ermittlungen waren also nicht eingestellt, oder wie soll ich dich verstehen?»
    «Nein, natürlich nicht, Commissario. Es war alles nur Theater. Mit normalen Polizeiaktionen wären wir doch keinen Schritt weitergekommen. Orecchio hatte keine Ahnung, er hat nur ab und zu nachts den Schlagbaum an der Pforte aufgemacht, um einen Lieferwagen durchzulassen. Er wusste offensichtlich gar nicht, wie ihm geschah, als er plötzlich diese sensationelle Ladung vor sich hatte. Er jedenfalls konnte uns nicht weiterhelfen. Jedes Mal, wenn wir bei Tibero eine Stichprobe machten, hatte er nur Fisch an Bord. Allen anderen konnten wir nichts wirklich Substanzielles nachweisen. Sie waren ungreifbar, irgendwie unsichtbar. Die Lösung waren Sie, Commissario. Sie und Ihr Vater! Tuttoverde war ganz begeistert davon. Er hat diesen genialen Plan innerhalb von wenigen Stunden mit mir entwickelt, kurz nachdem Sie ihn in Sovana getroffen hatten.»
    «Santa Caterina», stöhnte Guerrini. «Könntest du vielleicht eine Flasche Wein aufmachen? Die Pizza liegt mir ein bisschen schwer im Magen.»
    Die blinkenden Punkte auf dem Bildschirm waren inzwischen bei den Colaltos angekommen und bewegten sich nicht mehr. Allerdings blinkte dort noch ein dritter Punkt.
    «Mein Lancia!»
    Teo grinste. «Jetzt können wir genau zusehen, was sie mit ihm machen.»
    «Ich will ihn wiederhaben!»
    «Das kann ich leider nicht garantieren.»
    «Ich soll also mein Auto eurem genialen Plan opfern. Kommt überhaupt nicht in Frage. Und was ist mit meinem Vater?»
    «Er hat nichts zu befürchten. Dafür wird Tuttoverde sorgen. Aber vielleicht haben ihm die schlaflosen Nächte
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