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Die stummen Götter

Die stummen Götter

Titel: Die stummen Götter
Autoren: Arne Sjöberg
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weiß ich allem!
    Doch diese Anlage hier in den Bergen – ja, sie war nicht nur das, was sie uns bisher von sich gezeigt hatte, sie war zu gleich Landeplatz, Weltraumbahnhof, Umsteigestation und Ankergrund.
    Weiter kam ich mit meinen Überlegungen nicht. Eine Sirene brüllte auf, dreimal und erschreckend laut und nahe, und dann begann das Ausbooten der Tantaliden.
    Ja, ich bekam sie zu sehen!
    Im inneren Ring tat sich eine blaß erleuchtete Öffnung auf, und Sarkophag auf Sarkophag schwebte hernieder, lautlos, gespenstisch, von Kraftfeldern sicher und unsichtbar getragen. Sarkophag sage ich – wieder einmal habe ich kein anderes Wort dafür. Es waren durchsichtige und von Licht erfüllte Be hälter von sargähnlicher Form. In ihnen ruhten – ruhten? – schwebten jene, die zu schauen wir gekommen waren und um derentwillen wir soviel aufs Spiel gesetzt hatten.
    Sie sahen fast aus wie Menschen, aber eben nur fast. Riesen waren sie in Wirklichkeit, zwei Meter achtzig, drei Meter zwan zig groß fast alle. Sie waren in weißen Stoff gehüllt, der sich ihrem Körper faltenlos anschmiegte und der nur Kopf und Hände hervorschauen ließ. Doch was für Köpfe, was für Hände! Sechsfingerig waren sie, meist hell behaart die Handrücken, doch nicht so dicht, daß man es ein Fell hätte nennen können. Die Köpfe aber waren wahre Löwenhäupter, lang bärtig, mit wallendem Schädelhaar unterschiedlicher Färbung, und das Bezwingendste vielleicht war das dritte Auge, das sie besaßen. Das Scheitelauge der Zyklopen!
    Und sie schliefen. Sie schliefen den langen Schlaf, der dennoch kein Tod war – ja, so hatte es Baskow genannt. Sie zogen von der sie tragenden Kraft voranbewegt an mir vorüber, hin zum Turm, in die Öffnung des Rohres hinein, und versanken dort in der Tiefe.
    Ich nahm erst jetzt wahr, daß nun auch das Innere des Turmrohres von jener blassen Helligkeit erfüllt war, wie sie aus dem Luk des Raumschiffes droben hervordrang, und ich schrie fas sungslos: „Haltet doch ein! Freunde! Laßt mich doch nicht zu rück hier!“
    Doch die Prozession der Schlafenden zog weiter voran, un bekümmert und stumm.
    Ich zählte hundert der Sarkophage, zweihundert, zweihun dertfünfzig. Und dann packte mich grenzenlose Furcht und Verzweiflung, wie ich sie selbst in den schwersten Stunden hier auf Tantalus noch nicht kennengelernt hatte.
    „Brüder!“ schrie ich. „Nein! Das könnt ihr mir doch nicht an tun!“
    Und ich warf mich auf einen dieser durchsichtigen Behälter – es war so ziemlich der letzte, wie ich mit einem gehetzten Blick nach oben hin sah – der Länge nach drauf, versuchte mich fest- zukrallen, Halt zu gewinnen und trat so meine letzte, vielleicht die allerletzte Reise an. Zu verlieren hatte ich nichts mehr. Gar nichts.
    Es ging dann alles so rasch und unaufhaltsam, daß ich keine Zeit zu Überlegung und Besinnung fand.
    Was wird aus dem Schiff? dachte ich noch. Wohin startet es zurück? Geht es auf Warteposition irgendwo im Raum? Sprengt es sich selbst auseinander, nutzlose Hülle, die es nun geworden?
    Der Zug ging abwärts, unbeirrbar abwärts. Die bitterliche, fremde, ozonhaltige Luft umhüllte mich ganz. Sie war leicht und köstlich zu atmen, stimmte freudig sogar, gelöst, machte alle Not vergessen.
    Ich weiß nicht, wie lange die Fahrt währte. Die absteigende Bewegung ging allmählich über in eine waagerechte, wir glitten dahin durch Gänge und Säle, die von sprühendem, funkelndem Licht erfüllt waren. Und da sah ich sie dann wirklich wieder, alle meine verlorengegangenen Gefährten und Freunde.
    Sie befanden sich in ebensolchen durchsichtigen, erleuchteten Kästen, schwebten darin mit geschlossenen Augen, und nur, daß sie vollständig nackt waren, wie sie davongeholt wurden. Im Vorüberziehen erkannte ich sogar den halbierten Leib Björn Keselgaards, jenes Maaten aus dem einen Multi-Roover, und sogar die Kaninchen waren da. Jedes hatte ein Behältnis für sich, schlief und schwebte. Und neben ihnen eine lange, lange Reihe anderer, wartender Tantaliden.
    Doch es gab keinen Halt, es gab kein Zurück. Würden sie alle sich unserem Dahinfahren anschließen? Würden sie zu rückbleiben und weiter ruhen bis zu einem neuerlichen, in Jahr hunderten vielleicht erst erfolgenden Aufruf? Keine Stimme und kein Echo war, das es mir hätte zu sagen vermocht.
    Ich hatte das Gefühl, daß es keine Zeit mehr gab und keinen Raum. Doch wie alles und jedes sein Ende hat, so auch diese, meine vielleicht wundersamste
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