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Die stummen Götter

Die stummen Götter

Titel: Die stummen Götter
Autoren: Arne Sjöberg
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einen Spalt, den ich in der Luke offengelassen hatte, in die jetzt doch wieder von Blitzen durchfahrene Nacht hinaus und lauschte dem grollenden Donner und später dem trommelnden Regen. Die kleine Heizungsanlage, die nachts hier oben in den Bergen bitter nötig war, funktionierte, und zum erstenmal seit vielen, vielen Stunden fühlte ich mich beinahe geborgen, wenn auch eine tiefe Schwermut nicht mehr von mir weichen wollte. Ich wußte ja, was der neue Tag bringen würde. Ich wußte es viel zu gut!
    Es kam dann so, wie ich es schon geahnt hatte. Als die Wartezeit verstrichen und ich wieder an den Kessel herange fahren war, erwies es sich als vollkommen unmöglich, mit der Katze zwischen Fels und Trümmerstück des Astrachans hin- durchzukommen. Ich hatte auch nicht das Werkzeug, um die Öffnung zu erweitern – Elektronit war ohnehin nur im Hoch vakuum bearbeitbar – , und von einer Sprengung am Fels nahmen wir Abstand, obwohl sich einige Negronitpatronen in der Ausrüstung befanden. Das lag nicht an mir – ich hätte auch das noch gemacht, nur um Castor den Willen zu tun, doch er selber war schließlich dagegen, weil er das Risiko, die Aufmerksamkeit der Anlage aufs neue zu erregen, einfach zu groß fand. Es lohnte dann ohnehin nicht mehr. Ich hatte mir nämlich endlich ein Herz gefaßt und war allein durch den Spalt hindurchgeklettert, und da sah ich dann, daß es einfach nichts mehr gab, wo ich jene beiden gelben, kurzen Schläuche hätte finden können. Die einzelnen Wagen waren entweder in unentwirrbare Bruchstücke zerfetzt worden, oder sie waren tatsächlich zu einer kompakten Masse zusammengeschmolzen, in die kein Weg mehr hineinführte. Leise hatte mein Dosimeter wieder zu ticken begonnen, als ich mich den Trümmern näherte, und nachher graute mir einfach davor, unter den hier und da auftauchenden Resten menschlicher Leichname vielleicht doch noch den einen oder den anderen Bekannten wiederzuerken nen.
    „Wir müssen es aufgeben, Navigator“, sagte ich. „Es hat keinen Zweck, und ich will auch nicht länger mehr dort herumsuchen. Ich kann und kann einfach nicht.“
    Die „Spargel“ der Anlage glitzerten dabei im Sonnenlicht, und die Quader und der Turm leuchteten in ihrem starken Weiß, daß es fast weh tat, sie anzuschauen.
    Es ergab sich, daß in der Katze noch für gut hundert Kilo meter Betriebsstoff steckte. Doch das reichte eben nicht bis zurück zum „Friedhof“. Das reichte eigentlich für gar nichts.
    Dennoch entschied Castor, daß ich diese hundert Kilometer die Klamm hinabfahren sollte.
    „Ich werde nur fünfzig fahren“, sagte ich, und er durchschaute mich sofort.
    „Sieh mal“, entgegnete er, „wir werden unseren Schlag zwar sehr genau zentrieren, aber trotzdem ist nicht abzusehen, welchen Raum die Annihilation erfassen wird. Und wenn du zu rückkommst, wirst du dann nicht einmal mehr die Wracks vor finden, die immerhin jetzt noch da sind. Und ich will auch nicht, daß du wieder zurückkommst. Andererseits jedoch wärst du um fünfzig Kilometer näher zum ’Friedhof’ heran, wie es auch ausgeht.“
    Ich spürte wohl die tiefe Sorge in seinen Worten, trotzdem aber hätte ich schreien mögen, daß dieser Mann so wenig in der Lage war, über seinen eigenen Schatten zu springen.
    „Was soll ich auf dem ’Friedhof’!“ sagte ich. „Selbst wenn ich jemals hinkäme – eine neue Katze ist nicht dort, und diese hier müßte ich ja unterwegs stehenlassen. Nicht einmal ein Feld ist vorhanden, das uns schützen könnte, und was ich mit Baskow machen soll, weiß ich auch nicht.“
    „Du wirst das alles nicht brauchen“, sagte Castor. „Wir holen dich, nachdem wir hier fertig sind. Es wird ganz schnell gehen und die reine Spazierfahrt sein.“
    „Ach, Navigator!“ rief ich verzweifelt. „Du weißt, worum wir beide hier herumreden. Gib es doch auf. Ich sage noch ein mal: Fliegt ab! Wir haben doch nun alles versucht. Auch Baskow gegenüber kann ich jetzt ein ruhiges Gewissen haben. Fliegt, und vielleicht ist die Anlage mit uns beiden hier unten gnädiger, als wir es all die Tage mit uns selber waren.“
    „Stenström!“ sagte Castor. „Stenström!“ Dann schwieg er lange. Doch als er wieder zu sprechen begann, da klang es, als ob er einen Entschluß gefaßt hätte, von dem ihn nichts und niemand mehr abzubringen vermochte. Ich hörte es sofort. „Halte dich an die Menschen, Jorge“, sagte er. „Nur an sie! Es gibt nichts sonst, woran du dich halten könntest. Wir haben viele
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