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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus
Autoren: Pauline Gedge
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werden Medjai sein, Ahmose.«
    »Das ist mir recht«, sagte er. »Dir, liebste Schwester, vertraue ich bedingungslos! Achtoi, heißes Wasser und den Arzt, ich brauche Mohnsaft. Aahmes-nofretari, komm so schnell du kannst zurück.«
    In dieser Nacht träumte sie, wie Ramoses Mutter gestorben war, und erwachte schweißnass und zitternd in stickiger Dunkelheit. Sie setzte sich auf und wischte sich Hals und Brust mit dem zerknüllten Laken und war dankbar, dass sie nicht allein war. »Was ist?«, brummelte Ahmose. »Geht es dir schlecht?«
    »Ein böser Traum, mehr nicht«, flüsterte sie, suchte Trost an seinem weichen Fleisch und fand die Rundung seiner Hüfte. »Ahmose, warum schläfst du nicht?«
    »Ich habe geschlafen«, sagte er jetzt deutlicher. »Bis dein Gebrummel mich aufgeweckt hat.«
    »Tut mir Leid.« Sie legte sich wieder hin. »Kannst du wieder einschlafen?« Er bewegte sich und drehte sich zu ihr um.
    »Ich könnte schon«, sagte er. »Aber meine Kopfschmerzen sind fort. Aahmes-nofretari, wir wollen uns lieben. Möchtest du? Das wird ein einmaliges Erlebnis. Schließlich habe ich noch nie einen Soldaten geliebt.«
    ***
    Der erwartete Ausbruch Tetischeris erfolgte nicht, was Aahmes-nofretari ungemein verwunderte. Vielleicht hatte ihre Großmutter nicht gemerkt, dass eine Sitzung stattgefunden hatte, was sie jedoch bezweifelte. Tetischeri zeigte ihr Missfallen jedoch, als sie Ahmose eines Abends beim Essen fragte, wie es um Kamoses Grabmal stünde. »Du bist so oft nicht zu Haus gewesen«, sagte sie abrupt zu ihm, als er gerade den Hund Behek mit einem Häppchen gebratener Ente fütterte. Ahmose tat, als hörte er Tetischeri nicht, zupfte weiter Fleisch von den Knochen auf seinem Teller und schob es Behek zwischen die kräftigen Zähne, aber sie wich und wankte nicht. »Hast du überprüft, ob Kamoses Grabmal fertig gestellt ist?«
    »Nein, Großmutter«, sagte er schließlich geduldig. »Ich musste mich um Angelegenheiten im Tempel kümmern.«
    »Angelegenheiten, die wichtiger sind als die letzte Ruhestätte deines Bruders?«, bohrte sie weiter. »Möchtest du, dass er inmitten von Steinbrocken und unvollendeten Inschriften ruht?« Ahmose richtete sich auf. »Du unterstellst mir ziemlich viel«, tadelte er sie milde. »Das hättest du wohl gern, ich und so kleinliche Rache nehmen. Du hast dir immer eingebildet, dass ich eifersüchtig auf Kamose bin, aber das ist nicht wahr. Wir waren in vielem nicht einer Meinung, doch ich habe ihn genauso lieb gehabt wie du.«
    »Was ich bezweifeln möchte«, gab sie bissig zurück.
    »Ich bin zweimal beim Grabmal gewesen«, sagte er gelassen. »Es wird nicht rechtzeitig fertig, aber daran ist niemand schuld. Kamose hat nicht gedacht, dass er so früh sterben könnte. Die Handwerker arbeiten bis zur völligen Erschöpfung, aber es gibt Grenzen, Tetischeri.«
    »Dann werden also Gebete und Beschwörungsformeln seinen Leichnam umgeben, aber seine Taten sind nicht dargestellt«, knurrte sie. »Das ist eine Katastrophe.«
    »Gebete um göttlichen Schutz sind weitaus wichtiger«, gab Ahmose zurück. »Du bist mit Absicht unleidlich, Tetischeri«, sagte Aahotep jetzt. »Ist es dir lieber, Kamose ist vor Bösem im nächsten Leben beschützt oder aber verloren, weil Ahmose darauf besteht, seine Taten schildern zu lassen? Für beides reicht die Zeit nicht.«
    »Ich weiß, was du denkst.« Ahmose hatte sich zu seiner Großmutter umgedreht und musterte sie kühl. »Insgeheim hast du Angst, dass ich Kamoses Siege, all seine großen Bemühungen, uns zu befreien, all seine Seelenqualen für mich beanspruche. Aber selbst wenn ich das wollte, ginge es nicht. Die Archive sind voll von Briefen und Depeschen an dich, und nur wenn ich die alle verbrenne, könnte ich die traurige Geschichte meines Bruders mit Beschlag belegen. Außerdem würden die Götter eine solche Unehrlichkeit nicht billigen.« Er seufzte. »Du tust mir Leid, Tetischeri. Du denkst so schlecht von mir, dass du den Kopf nicht heben und mich oder Kamose so sehen kannst, wie wir wirklich sind. Aber sei gewarnt. Ich bin jetzt der König und dein Großsohn. Hüte dich und zügele deine Zunge, falls du das bei deinen Gedanken nicht schaffst, sonst wirft man dir eines Tages noch Gotteslästerung vor.« Sie funkelte ihn böse an, dann sank sie in sich zusammen.
    »Du hast Recht«, quälte sie sich mit steifen Lippen ab. »Ich entschuldige mich, Majestät. Ich bin ein widerborstiges altes Weib.«
    »Vergib ihr«, bat Aahotep.
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