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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus
Autoren: Pauline Gedge
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»Sie grämt sich schrecklich wegen Kamose.«
    »Gram entschuldigt vieles, aber nicht alles.« Mehr sagte er nicht.
    Eines Morgens stand Aahmes-nofretari spät auf und bat darum, dass man ihr das erste Mahl des Tages in den Garten brachte, und nachdem sie gebadet, angekleidet und geschminkt worden war, ging sie zum Teich, traf dort jedoch Ahmose an, der rücklings unter einem sich blähenden Sonnensegel lag. Eine nackte Hent-ta-Hent ruhte auf seinem Bauch und schlief tief und fest, hatte einen winzigen Daumen im Mund, und die Brise bewegte ihr weiches schwarzes Haar. Ahmose hatte eine Hand unter ihre runde Kehrseite geschoben, damit sie nicht herunterrutschte, mit der anderen winkte er in Richtung Hor-Aha, der mit gekreuzten Beinen neben ihm saß. Als Ahmose-onch sie über den Rasen kommen sah, tapste er strahlend auf sie zu, die Hände zur Schale geformt. »Sieh mal, sieh mal!«, rief er schrill und aufgeregt. »Der Frosch ist mir auf den Fuß gesprungen!« Aahmes-nofretari ging in die Hocke, gab ihm einen Kuss auf die Pausbacke und bewunderte seinen Fang.
    »Aber du musst ihn in den Teich zurückwerfen«, ermahnte sie ihn. »Wenn du ihn zu lange in der Hand hast, wird seine Haut trocken und heiß, und davon wird er krank. Er ist etwas Besonderes, Ahmose-onch, du darfst ihm nichts tun. Frösche sind das Symbol der Wiedergeburt, und wir ehren sie.« Er zuckte die Achseln, war bereits gelangweilt, dann zog er eine Schnute, tat jedoch, was man ihn geheißen hatte, blieb am Rand des Teiches stehen und streichelte das Geschöpf, ehe er es sorglos hineinwarf.
    »Flicht seine Kinderlocke«, sagte Aahmes-nofretari zu der Dienerin. »Er sieht sehr unordentlich aus. Und binde ihm ein Lendentuch um. Er zählt inzwischen drei Lenze und muss sich daran gewöhnen, Kleidung zu tragen.« Ahmose hatte ihr den Kopf zugewandt, als sie näher kam, er lächelte von einem Ohr zum anderen, und Hor-Aha war aufgestanden, um ihr zu huldigen.
    »Hor-Aha ist letzten Abend mit seinen Listen zurückgekehrt«, sagte Ahmose, während sie in den Schatten unter dem Sonnensegel trat. »Der Morgen war zu schön, um ihn im Dunkel des Arbeitszimmers zu verbringen, also höre ich mir alles hier draußen an. Später muss ich noch die höheren Hauptleute befragen, die ich selbst vorschlage, aber ich kann mich nicht rühren, ehe Hent-ta-Hent nicht aufgewacht ist.« Liebevoll betrachtete er seine Tochter. »Ich glaube, sie zahnt, Aahmes-nofretari. Sie hat viel gesabbert und geschrien, und das Kindermädchen konnte sie nicht beruhigen. Was hast du heute vor?«
    »Ich wollte mir eine Sänfte nehmen und mich zu den Feldern tragen lassen«, antwortete sie. »Ich möchte sehen, wie das diesjährige Korn steht.« Dann lachte sie schallend. »Ahmose, du siehst mit der Kleinen auf dem Bauch lächerlich aus, ganz und gar nicht wie ein König!«
    »Ja, aber mein Herzschlag beruhigt sie, und die Wärme ihres Leibes stimmt mich friedlicher«, entgegnete er. »Dein Essen kommt, Aahmes-nofretari. Setz dich zu mir und iss, während ich das Geschäftliche beende. Danach könnte ich dich wohl begleiten. Die Hauptleute ziehen in die Kasernen ein. Mit denen kann ich mich auch noch heute Abend unterhalten.«
    Überrascht und erfreut nahm sie sein Angebot an und genoss ihr Mahl mit Blick auf das Spiel von Licht und Schatten im grünen, frühlingsprächtigen Garten. Ahmose hatte Posten in elf Divisionen zu besetzen, das hieß alles vom Befehlshaber bis zum Standartenträger, vom Wagenlenker bis zu den Hauptleuten der Hundert, vom Obersten der Fünfzig bis zu den Lehroffizieren.
    Viele Ränge waren ihr völlig neu, und da ging ihr auf, dass Ahmose sie während dieser Beratung erst schuf. Das Heer würde tatsächlich anders sein, streng gegliedert und vollkommen unter seiner Kontrolle. Dieses Wissen vermittelte ihr einen gewissen Frieden, aber auch Trauer. Kamose hatte getan, was er konnte, doch für eine Neuordnung hatte er entweder nicht die Zeit oder den Durchblick gehabt. Er hatte seinem Bruder den Weg bereitet, hatte einen unbeholfenen Anfang gemacht, doch Ahmose würde alles verfeinern und vervollkommnen, auf der Grundlage weiterbauen, die Kamose geschaffen hatte, und vielleicht würde Kamoses Beitrag im Lauf der Zeit vergessen werden. Schließlich war er für seine Familie ein Rätsel gewesen, für seine Edelleute ein Gewaltherrscher und für die Bauern, deren Dörfer er zerstört hatte, ein Ungeheuer. Falls Ahmose es schaffte, Ägypten Freiheit und Wohlstand zu bringen,
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