Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt

Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt

Titel: Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt
Autoren: Ross Thomas
Vom Netzwerk:
Prolog
    Die drei Überlebenden des Hinterhalts am schwarzen Sandstrand waren der neunzehnjährige Second Lieutenant der Infanterie, der eins sechzig große Guerillero und der riesige, etwas verrückte Sanitätssoldat, der sich in der Woche nach dem Hinterhalt sechzehn Pfund abgeschwitzt, abgehungert und abgerackert hatte.
    Aber es war Hovey Profette, der Sanitäter aus Arkansas, der als erster die beiden kaiserlichen Marineinfanteristen unten im Tal bemerkte, etwa vierzig bis fünfzig Meter entfernt, als sie langsam aus einem Hain verwilderter Kokospalmen traten. »Erschieß die kleinen Scheißer«, drängte der Sanitäter mit heiserem Flüstern.
    Booth Stallings, Second Lieutenant der Infanterie und vermeintlicher Anführer des überfallenen Aufklärungs- und Erkundungstrupps, preßte sich flach zwischen die beiden sonnendurchglühten schwarzen Felsen. Nachdem er einen Schwarm von, wie es schien, annähernd fünfzig Fliegen weggescheucht hatte, blinzelte er durch den Nachmittagsdunst hinab zu den beiden Gestalten in den senffarbenen Uniformen. Beide kaiserliche Marines waren stehengeblieben und musterten ihre Umgebung mit den besorgten Mienen von Vorposten, die ahnen, daß jemand gleich auf sie schießen wird.
    »Ich sag dir, der zweite kleine Scheißer ist mindestens eins fünfundachtzig, wenn nicht eins neunzig«, sagte Stallings.
    »Kaiserliche Marineinfanterie«, murmelte der Guerillero. »Die verlangen eine Mindestgröße.«
    Zum vierten Mal an diesem Tag entlud sich die fürchterliche Wut des Sanitäters ohne Vorwarnung. Sie wogte in einer leuchtenden Welle seinen baumstarken Hals hinauf, färbte seine eigenartig kleinen Ohren lippenstiftrot und verzerrte sein Gesicht zu einem fetten rosa Wutknoten, der sich, so dachte Booth Stallings, vielleicht nie mehr lösen lassen würde.
    »Du wirst nicht mal versuchen, sie zu erschießen, nicht wahr, Lieutenant Schisser?« sagte der Sanitäter und unterlegte seine sanfte Frage mit genug Rage, um sie in eine Todesdrohung zu verwandeln.
    Booth Stallings schüttelte den Kopf, während er weiter auf die beiden kaiserlichen Marines hinabstarrte, die nun langsam die Lichtung überquerten, welche einst ein Maisfeld gewesen war. »Das sind Späher, Hovey«, sagte Stallings; er bemühte sich, seine Antwort möglichst vernünftig klingen zu lassen. »Die haben mindestens einen Trupp hinter sich. Vielleicht einen Zug. Vielleicht sogar eine Kompanie.«
    »Wahrscheinlich eine Kompanie«, sagte der Guerillero mit dem flachen, fast tonlosen Kansas-Akzent, den er sich unter der Obhut einer Lehrerjungfer angeeignet hatte, die 1901 an seinem Gestade gelandet war und die nächsten vierzig Jahre damit zugebracht hatte, kleine braune Jungen amerikanisches Englisch auf genau die Art sprechen und schreiben zu lehren, wie es daheim in Emporia gesprochen und geschrieben wurde.
    Hovey Profette, noch immer krebsrot im Gesicht und vor Wut kochend, ignorierte den Guerillero und streckte die rechte Hand nach Stallings’ Gewehr aus, der einzigen und gemeinschaftlichen Feuerwaffe. »Gib mir das Ding«, forderte er. »Ich erschieß die kleinen Scheißer.«
    Stallings schüttelte wieder den Kopf und versuchte, die Geste mit einer Spur nicht empfundenen Bedauerns zu versehen.
    »Es hat keine Kimme, Hovey«, sagte Stallings. »Der tote Guerilla, von dem ich’s habe, muß das Visier abgerissen und weggeschmissen haben. Die Guerillas glauben, daß ein Visier bloß alles versaut – stimmt’s, Al?«
    Alejandro Espiritu, der eins sechzig große Guerillero, lächelte höflich. »Eine alte und hoch geachtete militärische Tradition in meinem Land.«
    »Weißt du, was du bist, Lieutenant Stallings, Sir?« sagte der Sani mit fast zu lauter Stimme und viel zu rotem Gesicht. »Du bist bloß ein … ein riesiger großer Haufen feiger Scheiße, nichts anderes.«
    Hovey Profette stürzte sich auf das Garand, entriß es mühelos Booth Stallings’ Griff, rammte sich den Kolben an die rechte Schulter und war schon dabei, über den visierlosen Lauf zu zielen, als die Bolo-Klinge des Guerilleros seinen baumstarken Hals beinahe bis zur Mitte aufschlitzte.
    Der Sani gab einen Laut von sich, der halb wie ein Seufzen, halb wie ein Schnauben klang, und brach über dem unbenutzten Gewehr zusammen. Ein gurgelndes Geräusch folgte, das Booth Stallings endlos vorkam, aber nur Sekunden dauerte. Als es vorbei war, lag Hovey Profette, Sanitäter der Infanterie und gescheiterter Kriegsdienstverweigerer, tot auf dem tropischen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher