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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände
Autoren: Heinz G. Konsalik
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essen.
    Noch während er an dem Brot roch, trat Corinna in die Küche.
    »Fällt dir nichts auf, Papa?« fragte sie. Ihr Gesicht war etwas starr.
    »Ja, natürlich!« Doerinck lachte laut und tippte auf den Stuten. »Der Knapp ist noch dran.«
    »Mit Mama stimmt etwas nicht.«
    »Immer diese Unkerei!« Doerinck legte das Brot weg und kümmerte sich um die Kaffeemaschine. Er kniffte das Filterpapier, steckte es in den Plastikfilter, holte die Kaffeedose aus dem Küchenschrank und suchte dann den Portionslöffel. Er war immer woanders, einmal hatte er ihn sogar beim Kartoffelmehl gefunden. So was regte ihn jedesmal auf. Er war ein Mann der Ordnung und der Grundsätze. Das erklärte er auch immer seinen Schülern: Ein Gemeinleben ohne Ordnung endet in Anarchie. Man hatte ihn deswegen auch mehrmals gebeten, vor den Wahlen Reden zu halten oder der für ihn einzig in Frage kommenden Partei beizutreten. Beides hatte Doerinck abgelehnt mit der Begründung, daß er in jungen Jahren schon einmal Partei ergriffen und dadurch bald den Weltuntergang erlebt habe. So kam es, daß der Konrektor Doerinck der einzige Parteilose im Lehrerkollegium war.
    »Was hast du nur?« sagte er jetzt ärgerlich, suchte noch immer den Portionslöffel für Kaffee und ackerte alle Dosen und Schübe durch. »Du hast Mama eingeredet, daß sie irgendwas im Körper haben müsse, und Dr. Hambach, der schon bedenklich Senile, gab dir recht. Nun war Mama in Münster. Man hat sie dort auf den Kopf gestellt. Und was ist von allem übriggeblieben? Mama, gesund wie eh und je, hat Hunger auf Butterstuten und Schinkenbrot! Und Kaffee. Verdammt, wo ist der Löffel hin?«
    »Nimm einen Teelöffel, Papa.«
    »Das könnte ich; aber wo ein Portionslöffel nötig ist, muß ein Portionslöffel sein! Man sollte es nicht für möglich halten: in der Marmelade steckt er!«
    »Das war ich, Paps.«
    »Natürlich, wer sonst? Dreißig Jahre alt, aber als Hausfrau ein Säugling!« Doerinck spülte den Portionslöffel unter heißem Wasser sauber und trocknete ihn dann ab. »Was soll mit Mama nicht stimmen?«
    »Sie sagt uns nicht die Wahrheit.«
    »Mama kann nicht lügen.«
    »Eben. Man sieht's ihr an. Und ich habe es gesehen. Sie will uns etwas vorspielen. Es ist in Münster nicht alles glattgegangen. Paps, ruf doch Dr. Willbreit an.« Sie lehnte sich an die Küchentür und faltete die langen, schlanken Hände vor ihrer Brust. »Ich weiß, daß mit Mama etwas nicht stimmt.«
    »So, du weißt es!« Doerinck zählte die Kaffeeportionen für die Kanne ab. Pro Tasse einen Löffel voll. Sieben … acht … neun … zehn … Es wurde ein guter Kaffee, denn Hellenbrand hatte ein gutes Wasser, chemisch rein, aus eigenen Tiefbrunnen. Kein ›Industriewasser‹, wie die anderen Städte drumherum. »Woher willst du es wissen? Du bist keine Ärztin geworden.«
    »Wirf mir nicht immer vor, daß ich das Studium hingeworfen habe.«
    »Du hast als kleiner studentischer Rotzer alles besser gewußt als die Professoren!«
    »Und ich hatte am Ende recht! Das sagst du nicht. Ich habe neun Fehldiagnosen aufgedeckt. Das hält natürlich kein akademischer Stand aus. Und wie war das mit Frau Reinhartz? Seit vier Jahren chronische Gastritis, keiner hat ihr geholfen, pfundweise hat sie Mittel geschluckt, die neue Fassade der Apotheke stammt fast von ihr allein … Ich aber habe sie nach zehn Behandlungen geheilt. Hier!« Sie streckte plötzlich ruckartig beide Arme vor. »Mit meinen Händen!«
    Doerinck goß das Wasser in den Glasbehälter der Kaffeemaschine. »Und seitdem läuft dir unser ehrenwerter Hausarzt Dr. Hambach schweifwedelnd nach.«
    »Pfui!«
    »Das war ein Hundevergleich, Töchterchen!« Er knipste die Kaffeemaschine an und war jetzt frei von übernommenen Pflichten. Den Schinken holen, Brot schneiden und Brot schmieren war Ljudmilas Arbeit. Corinna konnte das Geschirr herausholen und den Tisch decken; wenn sie's nicht von allein tat, wollte Doerinck es ihr gleich sagen. »Ich weiß ja, daß du besondere Hände hast, daß sie irgendwie Strahlen aussenden, Magnetismus, Kraftfelder. Ich hab ein paar Bücher gelesen, die das beschreiben. Seit der Sache mit der Frau Reinhartz habe ich mich informiert, aber was auch alles passiert sein mag oder geschrieben steht: Ich bin ein viel zu nüchtern und klar denkender Mensch, um das anzunehmen. Jeder Körper soll ein Strahlenkleid haben – überleg dir mal den Blödsinn! Du, meine Tochter, hast ein Strahlenkleid! Habe ich denn einen Strahlenanzug? Und
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