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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sollte man mal nachdenken, Herr Rektor.«
    Sofort nach dem Weggang der beiden Damen rief der Rektor bei seinem Kollegen Hornschuh an und schilderte ihm die Begegnung. »Ich war beeindruckt«, meinte er am Schluß. »Vom Totenbett hinüber zu zehn rasanten Kniebeugen …«
    »Man sieht da nie ganz durch, Herr Kollege«, antwortete Hornschuh bedächtig. »Es gibt da zunächst schwer erkennbare psychosomatische Zusammenhänge. Durch Theaterzauber und anderes Brimborium können durchaus ›Heilungen‹ zustande kommen. Es ist dies aber nichts weiter als die Auflösung einer Psychoneurose. Kein Wunder! Ich bitte Sie – wo gibt's in der Medizin Wunder?
    Dieser Fall aber regt wieder zur Diskussion an: Kann man gegen Menschen wie Fräulein Doerinck nicht juristisch vorgehen?«
    »Nur, wenn sie daraus einen Beruf macht!« sagte der Rektor der Universität und legte auf. Hornschuhs Erklärung war eine magere Rechtfertigung. Zum Glück war es für sie ein Fall, bei dem sie ›unter sich‹ blieben.
    Er ahnte nicht, daß Kopien vom Gedächtnisprotokoll dieses Gesprächs und von Professor Hornschuhs Brief auch an Corinna gelangten – eine Uni-Sekretärin steckte es ihr zu, die sie durch Streicheln von ihrer pickeligen Haut befreit hatte. »Wo soll das hinführen?« hatte ihr Vater damals gesagt. »Mein Gott, das ist ja fast so wie bei deinem Großvater. David Semjonowitsch hatte zwar eine Arztpraxis in Poti, aber er behandelte nicht mit Pillen oder Instrumenten, sondern legte seine Hände auf die kranken Körperstellen und sang dabei leise und monoton vor sich hin. Es half den meisten.«
    »Ich singe nicht dabei, Paps«, war alles, was Corinna darauf antwortete.
    Eine Woche später meldete sie sich in einem Institut an, das Heilpraktiker ausbildete. Das war vor sieben Jahren, doch brach sie plötzlich auch dieses Studium ab. Wie eine Flucht war es. Eine Woche lang schloß sie sich in ihr Zimmer ein, kam nur zu den Mahlzeiten herunter, wortlos, auf keine Fragen antwortend, mit leerem Blick. Sie aß fast mechanisch, schob dann den Stuhl zurück und verbarg sich wieder in ihrem Zimmer.
    »Sie muß etwas Ungeheuerliches erlebt haben«, sagte Doerinck zu seiner Frau. »Etwas Fundamentales. Etwas, das ihr Leben grundlegend beeinflußt hat. Doch sie spricht nicht darüber. Milaschka, hast du einen besseren Kontakt zu ihr?«
    Aber auch auf Ljudmilas Fragen hatte Corinna nur eine einzige Antwort: Schweigen. Um so mehr verblüffte ihre Ankündigung beim Abendessen: »Ich werde Teppichknüpfen lernen. Ich werde ein eigenes Atelier aufmachen. Was haltet ihr davon?«
    »Teppiche lassen sich immer verkaufen«, hatte Doerinck etwas sarkastisch geantwortet. »Nur zu den modernen Mustern habe ich kein Zutrauen. Die sehen aus, als seien Farbtöpfe ausgelaufen.«
    Corinna schob die Erinnerungen beiseite, erhob sich jetzt von ihrem flachen Bett, ging zu dem kleinen Schreibtisch in der Ecke und griff zum Telefon. Die Nummer der Uni-Klinik kannte sie auswendig, und nach einigen Kreuz-und-Quer-Schaltungen hatte sie die II. Chirurgische Klinik am Apparat und die Sekretärin von Oberarzt Professor Dr. Willbreit.
    »Ist es dringend?« fragte die Sekretärin.
    »Warum rufe ich sonst wohl an?!«
    »Ein Notfall? Haben Sie schon …«
    »Nein!« Corinna unterbrach die Frage abrupt. »Ich möchte Herrn Professor Willbreit persönlich sprechen, keine Notambulanz oder ähnliches. Privat!«
    »Privat?«
    »So ungewöhnlich ist das doch nicht.«
    »Der Herr Professor konferiert gerade mit den anderen Herren. Wen darf ich melden?«
    »Corinna Doerinck.«
    »Ich versuche es, gnädige Frau …«
    Corinna wartete, dann knackte es erneut in der Leitung. Willbreits Stimme klang etwas ungehalten und abgehackt:
    »Bitte? Hier Willbreit. Um was handelt es sich?«
    »Um meine Mutter.« Corinna holte tief Atem. »Ljudmila Davidowna Doerinck, geborene Assanurian.«
    »Ljudmila …? Ach so, ja … Ihre Frau Mutter war heute bei uns. Ja. Sie hat Ihnen berichtet …«
    »Sie haben ein Kolonkarzinom diagnostiziert. Einwandfrei?«
    »Wenn diese Diagnose gestellt ist, steht die ganze Verantwortung dahinter. Wir haben einen einwandfreien Befund der Untersuchungen. Nach der rectaldigitalen Tastung haben wir eine Rektoskopie vorgenommen, ihr folgte der Kolonkontrasteinlauf mit anschließender Koloskopie. Von einer Probebiopsie haben wir abgesehen, weil röntgenologisch die Diagnose einwandfrei zu stellen war. Ich habe Ihrer Frau Mutter zur sofortigen Operation geraten.«
    »Und die
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