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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Cora.«
    »Überall waren es erfahrene Ärzte, und die Kranken, denen sie nicht helfen konnten, kamen zu mir, und ich habe sie geheilt. Marius, wir müssen Svetla zu uns holen. Sie darf nicht im Spital bleiben. Irgend jemand muß uns doch helfen können … die Polizei, ein Anwalt, ein Richter … Gibt es denn kein Recht mehr auf dieser Welt?«
    »Alles, was wir über eine Behörde unternehmen, wird sich länger hinziehen als Svetlas Spitalaufenthalt.« Marius hob hilflos die Arme. »Und wenn sie erst hören, daß du mit den bloßen Händen heilen willst, wird's noch länger dauern. Wir werden gegen eine Gummiwand rennen. Du hast eben etwas gefragt – hier ist die Antwort: Nein! Für uns gibt es kein Recht! Wunder versteht man nicht, und Hexen werden verdammt! So war es schon immer auf dieser Welt, und so wird es auch bleiben, bis die Menschen sich in ihrer Dummheit gegenseitig vernichtet haben.«
    Sie gingen aufeinander zu, fielen sich in die Arme und weinten.
    *
    Vier Tage und vier Nächte saß Corinna am Fenster und starrte ins Tal. Sie schlief kaum, und wenn sie ein paar Stunden ruhte, verließ sie den Sessel nicht, sondern legte den Kopf auf die Fensterbank. Ein paarmal zuckte sie zusammen – dann war Marius sofort bei ihr und drückte sie an sich.
    »Unser Kind hat Schmerzen«, sagte sie in solchen Momenten tonlos. »Ich fühle es, daß es Svetlana schlechter geht. Sie liegt in ihrem Bett und weint. Gestern nacht hat sie gewimmert und alles wieder ausgebrochen … Ich habe es gespürt, Marius; sie ruft mich, und ich höre es … Sei ganz ruhig, habe ich zu ihr gesagt, deine Mama ist bei dir, sie holt dich bald zurück in das schöne Haus am Berg … du wirst gesund; deine Mama will, daß du gesund wirst, deine Mama ist bei dir … Und dann war es, Marius, als läge sie hier bei mir auf dem Arm und ich streichelte ihr über den kranken Leib … Die Ärzte irren sich, aber ich bin stärker als sie, ich habe sie bei mir …«
    Am Abend des fünften Tages wurde Corinna merkwürdig unruhig. Sie lief im Zimmer hin und her, rang die Hände, rannte vor das Haus und starrte in die Weite, dann saß sie wieder am Fenster, atmete schwer und drückte die Hände auf ihr Herz.
    »Da ist etwas …«, sagte sie gehetzt. »Marius, ich bekomme kaum noch Luft … Svetlana, was ist mit Svetlana los?«
    Sie sprang wieder auf, rannte vor die Tür, legte die Hände trichterförmig vor den Mund und schrie in die weite Dunkelheit hinein:
    »SVETLANA! Deine Mama ist da! Svetlana …«
    Marius wählte mit zitternden Fingern die Nummer des Spitals. Die Nachtschwester war schon im Dienst, ihre Stimme klang betont kühl. »Nein, den Herrn Doktor kann ich jetzt nicht erreichen. Nein, ich kann gar nichts sagen. Das müssen Sie den Doktor fragen. Er ruft Sie bestimmt an, sobald ich ihn erreicht habe …«
    Im Zimmer 9 der Kinderstation versuchten zwei Ärzte, das Schicksal aufzuhalten. Sie hatten eine Infusion angesetzt, und nun tropfte durch einen dünnen Schlauch und eine kleine Hohlnadel ein Aminosäuregemisch mit einem Zusatz von Arginin in den kleinen, gelb gewordenen Körper. Regungslos lag Svetlana in ihrem Bettchen. Das Koma, in das sie gefallen war, lähmte alle Funktionen. Das letzte Blutbild hatte einen dramatischen Anstieg des Blutammoniaks gezeigt … das Koma hepaticum war eingetreten … der Wettlauf um das Leben hatte begonnen. Corinnas Diagnose hatte sich als richtig erwiesen, aber da sie von einer ›Wunderheilerin‹ gekommen war, hatte man sie ignoriert und eine Übersäuerung durch Falschernährung angenommen. Nun, drei Tage zu spät, erkannte man die Wahrheit … aber man war auch erschrocken über den atypischen Verlauf der akuten Hepatitis, über die noch nie erlebte Schnelligkeit des Leberzerfalls in einem Kind. Das war vor allem ein Entschuldigungsgrund, der jede ärztliche Haftung ausschloß. Für Unbekanntes gibt es keine Schuldzuweisung.
    Im Haus lief Corinna wieder ruhelos hin und her. In ihrem Körper war ein Dröhnen und schmerzhaftes Reißen, das Blut hämmerte in den Schläfen, die Nerven in ihrem Gehirn waren wie glühende Fäden. Marius hatte ihr einen starken Kaffee gekocht, aber sie roch nur an der Tasse, begann zu würgen und rannte wieder hinaus vor die Tür.
    Ihr Schrei »Svetlana! Svetlana!« ließ ihn am ganzen Körper frösteln. Ein paarmal versuchte er, Corinna festzuhalten, aber sie entwickelte unglaubliche Kräfte, stieß ihn weg gegen die Wand, rammte ihren Kopf in seinen Magen und stürzte
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