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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Stunde, trank ein Glas Wein und aß ein paar Röllchen Bündner Fleisch, das er stark einpfefferte, und sagte: »Das Spital ist gut. Geben Sie nur nicht zu spät Alarm. Zu früh ist besser. Es sind hier schon vier Kinder während der Fahrt zum Spital geboren worden – für drei von ihnen bedeutete es den Tod. Also: Wenn's anfängt im Rücken zu ziehen, sofort anrufen! Was haben Sie ausgerechnet?«
    »Mitte Mai, Herr Doktor.«
    »Das ist gut. Mai-Kinder sind mir die liebsten. Mit denen hatte ich bisher die wenigsten Komplikationen. Ich weiß nicht, warum.«
    »Ein merkwürdiger Arzt«, meinte Marius, als Dr. Zimmerli in seinem Geländewagen davongedonnert war.
    »Wieso? Er war doch sehr nett.«
    »Er hat dich merkwürdig angesehen.«
    »Das bildest du dir ein, Marius.«
    »Vielleicht.« Er blickte ins Tal, wo Dr. Zimmerli über die Dorfstraße brauste. »Früher hättest du so etwas sofort gespürt.«
    »Ein Glück, daß es kein Früher mehr gibt. Ich bin wie befreit. O Marius, ist das schön hier! Wenn um uns herum alle Bergwiesen blühen, wird unser Kind da sein.«
    Jeden Tag rief sie in Hellenbrand an, oder Doerinck sprach mit ihnen am Tagesende. Sie berichteten von neuen Gardinen und neuem Geschirr, von einer vorsichtigen Wanderung am Fuß ›ihres‹ Berges, dem Hammerhörnli, von Corinnas ersten Rösti und Marius' Fahrt nach Zürich, wo er sich mit einem Vertreter von Morrison & Sons traf und das Hotel als zukünftigen Kontaktort bestimmte. Auch von Dr. Zimmerli erzählten sie, der vorgestern gesagt hatte, nachdem er Corinna mit zusammengekniffenen Augen gemustert hatte: »Es wird ein Mädchen. Ich irre mich selten. Sie sehen nach einem Mädchen aus. Suchen Sie schon einen schönen Namen!«
    »Und wie wollt ihr es nennen, wenn's wirklich ein Mädchen ist?« fragte Doerinck.
    »Svetlana«, antwortete Corinna ohne Zögern. »So wie Mamuschkas Mutter.«
    »Und wie soll ein Junge heißen?«
    »David, wie Großvater Assanurian. Bist du damit einverstanden, Papa?«
    »Aber ja. Ljudmila, die mithört, weint schon vor Freude.«
    Dr. Zimmerli sollte recht behalten: Am 25. Mai wurde im Spital Svetlana Stefanie Herbert geboren. Ein zierliches Mädchen mit dichtem schwarzem Haar und blauen Augen. Es war keine schwere Geburt, wie sie Ljudmila durchstehen mußte, als Corinna angekommen war; nach einer Stunde war alles vorbei, und die Kreißsaalschwester sagte: »Welch ein schönes Kind! Nein, wie schön! Das wird mal schöner als die Mama.«
    Am glücklichsten aber waren die Großeltern, die, von den besten Wünschen Dr. Roemers und Dr. Hambachs begleitet, sofort in die Schweiz gereist waren. Stolz, als habe er den Hauptanteil daran, trug Stefan Doerinck sein Enkelchen herum, und Ljudmila war schrecklich aufgeregt und zeterte: »Laß es nicht fallen, du grober Bär! Paß auf! Du zerdrückst es ja. Bei allen Heiligen … man muß aufpassen, daß er es nicht auffrißt!«
    *
    In New York wurden Marius' Bilder eine Sensation. Man hatte das erwartet. Morrison & Sons telegrafierten: »Der Name M.H. wird in die Kunstgeschichte eingehen. Ausstellungen in San Franzisko und New Orleans. Halten es für dringend notwendig, daß Sie noch in diesem Jahr nach New York kommen. Am besten vor Weihnachten. Planen dann eine große Vorstellung.«
    »Im Dezember?« sagte Corinna. »Dann ist Svetlana fast sieben Monate alt. Da können wir sie mitnehmen. Marius, du mußt zusagen. Jetzt ist es dein Ruhm …«
    »Wenn ihr mitkommt, fahre ich.« Marius las das Telegramm noch einmal ganz langsam durch. In die Kunstgeschichte eingehen … er, Marius Herbert … Wie ein Stern war er plötzlich, fast zufällig entdeckt, am Himmel der Kunstwelt. »Ohne euch sage ich ab. Cora, was wäre ich denn ohne dich?«
    »Das, was du jetzt bist, mein Liebling. Es hat in dir geschlafen, es brauchte bloß geweckt werden.«
    An einem Sonntagmorgen im August stand Corinna früher auf, um den Kaffeetisch zu decken und den Kaffee zu filtern. Sie hatten es stillschweigend so eingeführt: Die ganze Woche hindurch sorgte Marius für das Frühstück. Er war sowieso ein Frühaufsteher, malte die Morgennebel und die aufgehende und durch den Nebel brechende Sonne mit besonderer Freude. Wenn Corinna dann später mit Svetlana im Wohnzimmer erschien, duftete ihnen schon der Kaffee entgegen, aufgebackene Baguettes warteten im Backofen auf sie, ein Strauß frischer Blumen aus dem Garten schmückte den Tisch. So begann jeder Tag mit Freude und Glück, egal, ob es regnete, die Nebel von
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