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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände
Autoren: Heinz G. Konsalik
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unangenehm, sondern im höchsten Maße widerwärtig war.
    »Ich mußte den Notfall und Ihre Gegenwehr gegen dringend erforderliche ärztliche Maßnahmen melden, und die Polizei im Interesse des Kindes um Hilfe bitten. Der Kommandant der Gendarmerie hat telefonisch beim Bezirkskommandanten den Befehl erwirkt, das Kind ins Spital zu bringen«, sagte Zimmerli mit deutlicher Erregung. »Machen Sie doch bitte keine Schwierigkeiten. Ich weiß nicht, wie das in Deutschland ist. Aber hier sind Sie in der Schweiz. Der Irrsinn, ein todkrankes Kind selbst behandeln zu wollen, mit den bloßen Händen, zwingt uns, das Kind von Ihnen wegzunehmen. Jeder Schweizer Richter wird so entscheiden. Und wenn das Kind stirbt, ist es zumindest Totschlag!«
    »Aber ich kann es heilen!« rief Corinna. »Ich kann es wirklich!«
    »Ja, sie kann es«, sagte Marius tonlos. »Sie hat meinen Magenkrebs geheilt, den Darmkrebs ihrer Mutter. Hunderte von Heilungen kann sie nachweisen. Lesen Sie doch, was über sie geschrieben worden ist! Professor Neroschenko …«
    »Jetzt kommt er auch noch mit den Russen!« warf Zimmerli mit einer Stimme ein, die wie nach Ekel klang. »Von Pseudo-Wissenschaftlern verbrämte Scharlatanerie!«
    »Warten Sie es ab.« Corinna warf die Hände ineinander und faltete sie wie zum Gebet. »Vor einer Stunde habe ich Svetla behandelt … morgen geht es weiter … übermorgen … in einer Woche ist sie gesund … Warten Sie es doch ab, bitte …«
    »Das ist nicht mehr zu ertragen!« schrie Dr. Zimmerli und wurde rot im Gesicht. »Behandeln nennt sie das! Das ist Tötung im Wahn! Sie sind ja nicht mehr normal!« Er fuhr zu dem Gendarmen herum: »Nun führen Sie doch endlich Ihren Befehl aus.«
    Der Gendarm trat einen Schritt vor und straffte sich. Dabei zog er seinen graugrünen Rock gerade. »Madame«, sagte er dienstlich neutral, »ich habe den Befehl, Sie zum Schutze des Kindes Svetlana Herbert in Haft zu nehmen … Bitte, seien Sie vernünftig, kommen Sie mit.«
    »Meine Frau wird nicht in Haft genommen«, sagte Marius hart. »Ich lasse mein Kind in das Spital bringen …«
    »Du tötest es, Marius!« rief Corinna wild. »Du tötest unser Kind!«
    Es gab keinen Widerstand mehr. Der Gendarm und einer der Sanitäter zogen Corinna von der Schlafzimmertür weg, Dr. Zimmerli und der andere Sanitäter gingen hinein und kamen wenig später mit der in Decken gewickelten Svetlana auf dem Arm wieder heraus. Wie ein Tier schrie Corinna auf, als man das Kind hinaus zum Wagen trug. Zu dritt mußten sie die Tobende und Schreiende festhalten, und sie schrie noch immer, als der Spitalwagen den Wiesenweg hinunterfuhr und über die Holzbrücke auf die Dorfstraße einbog.
    »Ihr tötet sie! Ihr tötet sie! Svetlana! Ihr tötet mein Kind …«
    Dr. Zimmerli injizierte Corinna ein Beruhigungsmittel, während Marius und der Gendarm sie festhielten. Nach der Spritze hörte das Schreien auf; sie weinte nur noch mit einem fremden, hohen, singenden Ton und fiel dann endlich in einen tiefen Schlaf. Marius saß neben ihr auf dem Bett und hielt ihre Hand. Er saß dort auch noch, als das Telefon anschlug. Der Kinderarzt des Spitals meldete sich.
    »Wie geht es Svetlana, Doktor?« rief Marius und spürte, wie sein Herzschlag unregelmäßig wurde. »Haben Sie sie untersucht? Was hat sie?«
    »Deswegen rufe ich an.« Die Stimme klang beruhigend. »Keine Sorge, Herr Herbert. Ihr Töchterchen hat eine Ernährungsstörung. Eine Übersäuerung. Wir stellen die Ernährung um, und dann wird alles wieder gut sein. Wo ist Ihre Frau?«
    »Sie schläft.«
    »Dann sage ich es Ihnen: Es wäre gut, wenn Ihre Frau die nächsten Tage nicht ins Spital käme – so lange wenigstens nicht, bis wir die Umstellung im Griff haben. Wir möchten unsere Therapie nicht stören lassen … Sie verstehen, was ich meine?«
    »Ich verstehe vollkommen.« Marius schluckte, sein Hals war ihm plötzlich zu eng. »Ich will versuchen, das durchzusetzen. Wie lange wird Svetlana im Spital bleiben?«
    »Wir rechnen mit ungefähr zehn Tagen. Machen Sie sich keine Sorgen.«
    Als Marius den Hörer auflegte, hörte er hinter sich ein leises, kratzendes Geräusch. Er fuhr herum und sah Corinna im Türrahmen stehen. Ihr bleiches Gesicht war eingefallen und schmaler geworden.
    »Was sagen sie?« fragte sie hohl.
    »Nur eine Ernährungsstörung. Eine Übersäuerung. Wir sollen uns keine Sorgen machen.«
    »Sie töten unser Kind. Marius … sie bringen es um.«
    »Es sind erfahrene Ärzte,
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